Rz. 65
BGH, Beschl. v. 5.7.2006:
Zitat
"Die irrige Vorstellung des unter Beschwerungen als Alleinerbe eingesetzten Pflichtteilsberechtigten, er dürfe die Erbschaft nicht ausschlagen, um seinen Anspruch auf den Pflichtteil nicht zu verlieren, rechtfertigt die Anfechtung einer auf dieser Vorstellung beruhenden Annahme der Erbschaft."
Aus dem Sachverhalt:
Der allein erbende Sohn des Erblassers hat folgende notariell beglaubigte Erklärung abgegeben:
Zitat
Am … ist mein Vater … verstorben. Mein Vater … hat ein Testament hinterlassen, wonach ich … zum Alleinerben berufen bin. Da ich die Erbschaft nicht fristgerecht ausgeschlagen habe, gilt die Erbschaft als angenommen.
Ich fechte hiermit die Annahme der Erbschaft wegen Irrtums an und schlage die Erbschaft aus allen Berufungsgründen ohne jede Bedingung aus. Der Nachlass ist derart mit Vermächtnissen belastet, dass mein Pflichtteil gefährdet ist. Dieser Umstand war mir zum Zeitpunkt der Annahme nicht bekannt. Wäre mir dieser Umstand bekannt gewesen, hätte ich die Erbschaft zu keiner Zeit annehmen wollen.
Aus den Gründen:
"… Worauf die Anfechtung gestützt werden kann, richtet sich allein nach § 119 BGB; die Sonderregeln der §§ 1954, 1955, 1957 BGB für Frist, Form und Wirkung der Anfechtung ändern oder erweitern die Anfechtungsgründe nicht (BayObLG ZEV 1998, 431, 432). Mithin kommt hier (abgesehen von einem Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften) insbesondere ein Irrtum über den Inhalt der Erklärung in Betracht. Ein solcher Inhaltsirrtum kann auch darin gesehen werden, dass der Erklärende über Rechtsfolgen seiner Willenserklärung irrt, weil das Rechtsgeschäft nicht nur die von ihm erstrebten Rechtswirkungen erzeugt, sondern solche, die sich davon unterscheiden. Ein derartiger Rechtsirrtum berechtigt aber nach ständiger Rechtsprechung nur dann zur Anfechtung, wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft wesentlich andere als die beabsichtigten Wirkungen erzeugt. Dagegen ist der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher oder mittelbarer Rechtswirkungen, die zu den gewollten und eingetretenen Rechtsfolgen hinzutreten, kein Irrtum über den Inhalt der Erklärung mehr, sondern ein unbeachtlicher Motivirrtum (vgl. BGHZ 134, 152, 156 m.w.N.). …"
Rz. 66
Zuvor schon BGH in BGHZ 95, 222 (zu der bis 31.12.2009 geltenden Fassung von § 2306 Abs. 1 BGB):
Zitat
a) § 2318 Abs. 3 BGB wirkt nicht nur zugunsten des pflichtteilsberechtigten Alleinerben, sondern kann auch bei einer Erbenmehrheit eingreifen.
b) Schlägt der Erbe in einem Fall des § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB nicht aus [seit 1.1.2010 § 2306 Abs. 1 BGB], dann muss er die ihn beschwerenden Vermächtnisse und Auflagen grundsätzlich auch auf Kosten seines eigenen Pflichtteils voll tragen. Treten daneben auch noch Pflichtteilslasten auf, dann kann er die Vermächtnisse und Auflagen um den Betrag kürzen,. um den die Pflichtteilslasten seinen eigenen Pflichtteil anderenfalls (zusätzlich) beeinträchtigen würden.