Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 110
Reicht man überwiegend Dokumente elektronisch bei Gericht ein, wird man sich schnell daran gewöhnt haben, dass Abschriften (weder einfach noch beglaubigt) von Schriftsätzen (§ 133 Abs. 1 S. 1 ZPO) und Klagen (§ 253 Abs. 5 ZPO) nicht mehr beigefügt werden müssen. Die Ersatzeinreichung, die "schriftlich" erfolgt (Original oder Fax, siehe § 130 Nr. 6 ZPO), erfordert jedoch auch die Einreichung von Abschriften.
Rz. 111
Zitat
§ 133 ZPO – Abschriften
"(1) 1Die Parteien sollen den Schriftsätzen, die sie bei dem Gericht einreichen, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften der Schriftsätze und deren Anlagen beifügen. 2Das gilt nicht für elektronisch übermittelte Dokumente sowie für Anlagen, die dem Gegner in Urschrift oder in Abschrift vorliegen."
(2) Im Falle der Zustellung von Anwalt zu Anwalt (§ 195) haben die Parteien sofort nach der Zustellung eine für das Prozessgericht bestimmte Abschrift ihrer vorbereitenden Schriftsätze und der Anlagen bei dem Gericht einzureichen.“
Rz. 112
In Kanzleien scheint das Thema Abschriften von Schriftsätzen und Anlagen ein Dauerbrenner zu sein. Eigentlich – so dachte man – ist doch alles klar: Ein Gegner? Es wird der Originalschriftsatz, eine beglaubigte Abschrift für den Gegenanwalt und eine einfache Abschrift für den Gegner selbst eingereicht. Doch was muss, was sollte und was kann tatsächlich eingereicht werden? Ein Blick in die Historie hilft, besser zu verstehen, was bei einer Ersatzeinreichung auch heute noch gefordert ist bzw. sein könnte.
Rz. 113
▓ Abschrift?
Der Begriff ist althergebracht. Er stammt noch aus Zeiten, in denen es weder Kopierer noch Kohlepapier gab und die Schriftstücke tatsächlich noch abgeschrieben werden mussten. Statt echter Abschriften werden heute Kopien gefertigt oder ein Schriftstück wird mehrfach ausgedruckt. Die Gefahr, dass früher beim Abschreiben versehentlich oder absichtlich Auslassungen erfolgten, war groß, weshalb der Beglaubigung schon damals eine große Bedeutung zukam. Die Bedeutung der Beglaubigung ist auch heute noch gegeben, denn auch beim Ausdrucken oder Kopieren können Fehler und Manipulationen erfolgen.
Rz. 114
▓ Beglaubigte Abschriften des Schriftsatzes
Dem Original des Schriftsatzes werden i.d.R. eine beglaubigte Abschrift für den Gegenanwalt sowie eine einfache Abschrift für den Gegner beigefügt (sofern nur ein Gegner); zur zusätzlichen Abschrift siehe Rdn 118 in diesem Kapitel. Frage: Warum ist die Beglaubigung erforderlich? Sog. bestimmende Schriftsätze sind zu beglaubigen, da sie förmlich zuzustellen sind. Mit der Beglaubigung wird bestätigt, dass der Inhalt der Abschrift mit dem Inhalt des Originals übereinstimmt. Nach § 169 Abs. 2 S. 2 ZPO wird die Beglaubigung der vom Anwalt eingereichten und der Gegenseite zuzustellenden Schriftstücke von der Geschäftsstelle vorgenommen, sofern die Schriftsätze nicht bereits durch den Anwalt beglaubigt wurden. Sofern der Schriftsatz aus mehreren Blättern besteht, muss der Beglaubigungsvermerk des Anwalts erkennen lassen, dass er sich auf alle Seiten bezieht. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Anwalt den Schriftsatz auf der letzten Seite beglaubigt und die Seiten durch Heftklammer fest verbunden sind. Kopiert eine Mitarbeiterin die im Original unterschriebene Klageschrift und setzt in den Bereich der kopierten Unterschrift einen Beglaubigungsstempel, ist dies nicht ausreichend; eine Hemmung der Verjährung scheidet aus, eine Heilung des Zustellungsmangels gem. § 189 ZPO ist nicht möglich. So entschied das OLG Karlsruhe 2014. Eine Heilung ex nunc (von nun an) wäre nach Ansicht des OLG Karlsruhe nur durch rügelose Einlassung der Gegenseite gem. § 295 Abs. 1 ZPO möglich gewesen; eine rückwirkende Hemmung komme aber nicht in Betracht, wenn die Verjährung zum Zeitpunkt der Heilung schon eingetreten gewesen sei. Inzwischen hat der BGH am 19.4.2016 im Rahmen des Revisionsverfahrens in dieser Sache zwar bestätigt, dass die Zustellung einer beglaubigten Abschrift zwingend erforderlich ist, allerdings sah der BGH – anders als das OLG Karlsruhe – eine Heilung des Zustellungsmangels dadurch gegeben, dass die Zustellung nachweislich erfolgt war; zumal die Gegenseite auch nicht gerügt hatte, dass die zugestellte einfache Abschrift einen anderen Inhalt gehabt hätte, als die Urschrift der Klage.
Rz. 115
Zitat
"1. Nach § 166 ZPO von Amts wegen zuzustellende Dokumente können grundsätzlich in Urschrift, Ausfertigung oder (beglaubigter) Abschrift zugestellt werden. Die Zustellung einer beglaubigten Abschrift genügt stets dann, wenn das Gesetz keine andere Regelung vorschreibt, da der Gesetzgeber eine besondere Form der Zustellung ausdrücklich speziellen materiell- oder prozessrechtlichen Vorschriften vorbehalten hat (Parallelentscheidung zu BGH BeckRS 2016, 15931, BeckRS 2016, 15933, BeckRS 2016, 15936, BeckRS 2016, 15934, BeckRS 2016, 15932 und BeckRS 2016, 15937)."
2. Bei der durch die Geschäftsstelle veranlassten Zustellung einer einfachen statt einer beglaubigten Abschrift der...