Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 151
Eine Ersatzeinreichung gem. § 130d S. 2 ZPO per Post dürfte nur in den wenigsten Fällen möglich sein, denn die Ersatzeinreichung ist grundsätzlich eine fristgerechte Einreichung. Damit dieser Übermittlungsweg also in Betracht kommt, müsste es sich hier schon um eine mehrtätige technische Störung handeln. Eine solche ist natürlich nicht ausgeschlossen. Insofern wird die aktuelle Rechtsprechung des BGH zur Rechtzeitigkeit einer Fristsache per Aufgabe zur Post nachstehend wiedergegeben:
Zitat
"1. Begehrt ein Verfahrensbeteiligter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Behauptung, ein fristgebundener Schriftsatz sei auf dem Postweg verloren gegangen, ist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn der Antragsteller aufgrund einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe bis zur rechtzeitigen Aufgabe des in Verlust geratenen Schriftsatzes zur Post glaubhaft macht, dass der Verlust mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht im Verantwortungsbereich seines Verfahrensbevollmächtigten eingetreten ist (im Anschluss an Senat Beschl. v. 2.12.2020 – XII ZB 324/20, BeckRS 2020, 39907 Rn 7 m.w.N. und NJW-RR 2018, 445 = FamRZ 2018, 447 sowie an BGH Beschl. v. 22.9.2020 – II ZB 2/20, BeckRS 2020, 27297)."
2. Die bloße – anwaltlich versicherte – Behauptung, der Schriftsatz sei an einem bestimmten Tag "bei der Post aufgegeben worden", ist zur Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrunds bereits im Ansatz nicht geeignet; das muss einem Rechtsanwalt auch ohne gerichtlichen Hinweis bekannt sein (im Anschluss an BGH Beschl. v. 22.9.2020 und v. 16.11.2020 – II ZB 2/20, BeckRS 2020, 27297 und BeckRS 2020, 33163).“
Rz. 152
Die Aufgabe eines fristwahrenden Dokuments zur Post birgt gleich mehrere Risiken:
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das Poststück kann verloren gehen, |
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die Post geht zwar bei Gericht ein, jedoch nicht innerhalb der Frist. |
Rz. 153
Geht ein fristgebundener Schriftsatz auf dem Postweg verloren, muss im Wiedereinsetzungsantrag dezidiert zu den Einzelheiten der Abläufe bis zur Aufgabe bei der Post vorgetragen werden.
Rz. 154
Zu der dann glaubhaft zu machenden Schilderung gehört nach Ansicht des BGH eine lückenlose, nicht nur auf Vermutungen oder Erfahrungswerten begründete, Darstellung des Wegs des konkreten Schriftstücks in den dafür vorgesehenen Postausgang als der letzten Station auf dem Weg zum Adressaten.
Rz. 155
Bei der Postausgangskontrolle ist z.B. anhand der in der Ausgangspost befindlichen Schriftstücke, der Akten oder eines zu dieser Kontrolle geführten Postausgangsbuchs auch zu prüfen, ob die im Fristenkalender als erledigt gekennzeichneten Schriftsätze tatsächlich abgesandt worden sind oder zuverlässig zur Absendung kommen werden.
Rz. 156
Zu Recht stellt der BGH dabei fest, dass
Zitat
"eine Partei den Verlust des Schriftstücks auf dem Postweg regelmäßig nicht anders glaubhaft machen kann als durch die Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Aufgabe des Schriftstücks zur Post, die als letztes Stück des Übermittlungsgeschehens noch ihrer Wahrnehmung zugänglich ist."
Rz. 157
Was die Rechtzeitigkeit durch Einwurf in einen Post-Briefkasten betrifft, so hat der BGH entschieden, dass der Absender eines fristgebundenen Schriftsatzes auf die angegebenen Leerungszeiten des von ihm benutzten Briefkastens vertrauen darf. Dabei handeln sowohl die Partei als auch ihr Prozessbevollmächtigter nach Ansicht des BGH nicht schuldhaft i.S.d. Wiedereinsetzungs-Rechtsprechung, wenn sie sich auch vor und an Feiertagen auf die Einhaltung der von der Post angegebenen Brieflaufzeiten verlassen und deshalb keine besonderen Vorkehrungen treffen, um den Eingang eines fristwahrenden Schriftsatzes bei Gericht zu überwachen.
Rz. 158
So hat der BGH denn auch bei Nutzung eines Kurierdienstes festgehalten, dass sich ein Rechtsanwalt nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge darauf verlassen darf, dass Schriftsätze vom Kurierdienst des Anwaltvereins spätestens am darauffolgenden Werktag bei dem Empfängergericht eingehen und ihm Verzögerungen durch Feiertage nicht als Verschulden angelastet werden können.