Rz. 1
Das Ausschlagungsrecht des Vermächtnisnehmers folgt aus den §§ 2176, 2307 BGB. Darüber hinaus ist in § 2307 Abs. 1 S. 2 BGB die Anrechnungspflicht des nicht ausschlagenden Vermächtnisnehmers im Hinblick auf den Restpflichtteil geregelt. § 2307 BGB findet auch auf das Untervermächtnis und für befristete und bedingte Vermächtnisse (z.B. Vor- und Nachvermächtnis) Anwendung. Erhält der Pflichtteilsberechtigte neben dem Vermächtnis noch einen Erbteil, so schließt das die Anwendung des § 2307 BGB nicht aus, es sind dann jedoch zusätzlich die §§ 2305, 2306 BGB zu beachten.
Rz. 2
Nach § 2307 Abs. 1 S. 1 BGB hat der mit einem Vermächtnis bedachte Pflichtteilsberechtigte nur dann Anspruch auf den vollen Pflichtteil, wenn er das Vermächtnis ausschlägt. Nimmt er das Vermächtnis an und ist dies geringer als der Pflichtteil, so kann er lediglich den Restpflichtteil verlangen (§ 2307 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB). Ist das Vermächtnis größer, so entfällt der Pflichtteil ganz.
Rz. 3
Gemäß § 2307 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB sind Beschränkungen und Beschwerungen (z.B. ein Untervermächtnis) nicht in Ansatz zu bringen. Die Vorschrift stellt klar, dass der Vermächtnisnehmer die Beschränkung oder Beschwerung zu erfüllen hat, wenn er das Vermächtnis angenommen hat.
Rz. 4
Für das Ausschlagungsrecht des Vermächtnisnehmers nach § 2307 BGB bestehen grundsätzlich keine Fristen (vgl. § 2180 BGB). Der Erbe, der mit dem Vermächtnis belastet ist, hat jedoch die Möglichkeit, dem pflichtteilsberechtigten (und nur diesem) Vermächtnisnehmer eine Frist zu setzen, innerhalb derer der Vermächtnisnehmer sich entscheiden muss, ob er das Vermächtnis annimmt oder nicht. Es handelt sich hierbei um eine Annahmefrist, so dass gemäß § 2307 Abs. 2 S. 2 BGB das Vermächtnis als ausgeschlagen gilt, wenn es nicht innerhalb der Frist angenommen wurde. Hierbei ist zu beachten, dass mehrere Erben die Frist nur gemeinsam setzen können.
Rz. 5
Für den Anwalt, der den Erben vertritt, stellt sich in der Praxis somit die Frage, ob der oder die pflichtteilsberechtige(n) Vermächtnisnehmer nicht alsbald zur Annahme des Vermächtnisses aufzufordern sind. Dies sollte nicht zuletzt deshalb geschehen, um klare Verhältnisse zu schaffen, zumal die eigene Frist für die Annahme der Erbschaft grundsätzlich nur sechs Wochen beträgt. Die Ausschlagung des Vermächtnisnehmers nach § 2307 Abs. 1 S. 1 BGB kann ohne Einhaltung einer bestimmten Form gegenüber dem Erben erfolgen.
Rz. 6
Formulierungsbeispiel: Ausschlagung des Vermächtnisses nach § 2307 BGB
An
den/die Erben
– Einschreiben mit Rückschein –
Der Erblasser (…), verstorben am (…), hat ein Testament hinterlassen, in dem mir vermächtnishalber (…) zugewendet wurde. Ich schlage hiermit das Vermächtnis aus, um meinen Pflichtteil geltend zu machen.
(…)