Rz. 46
Franchise-Verträge verpflichten den Franchisenehmer in aller Regel, auf Dauer Waren von dem Franchisegeber oder von bestimmten Lieferanten zu beziehen (Bezugsbindung). Darin ist eine Verpflichtung zum wiederkehrenden Erwerb oder Bezug von Sachen im Sinne eines Ratenlieferungsvertrages gem. § 510 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB zu sehen. Daraus resultiert ein Widerrufsrecht des Franchisenehmers nach §§ 356c, 355 BGB. Dies gilt aber nur dann, wenn dem Franchisenehmer die Stellung eines Verbrauchers gem. §§ 510 Abs. 1 S. 1, 13 BGB zukommt, nicht hingegen, wenn er Unternehmer i.S.d. § 14 BGB ist. Bei einem der Existenzgründung dienenden Geschäft liegt grundsätzlich ein Unternehmer- und nicht Verbraucherhandeln vor.
Rz. 47
Im Gegensatz zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. Rdn 49 f.) sieht § 513 BGB für den Bereich der Ratenlieferungsverträge ausdrücklich vor, dass die Regelungen auch auf Existenzgründer (Unternehmer) Anwendung finden, wenn nicht der Barzahlungspreis den Betrag von 75.000 EUR übersteigt (sog. Widerrufswertgrenze; bis 11.6.2010: 50.000 EUR, § 507 BGB a.F.). Da diese Grenze im Bereich der Franchisesysteme oftmals überschritten wird (üblich sind mittlerweile "Eintrittsgebühren" und Aufwendungen für Erstausstattungen von weit über 100.000 EUR), wird unter Hinweis auf eine teleologische Reduktion die Auffassung vertreten, dass auch existenzgründende Franchisenehmer nicht als Existenzgründer i.S.d. § 513 BGB anzusehen sind.
Rz. 48
Hieraus resultierende Unsicherheiten sollten zumindest insoweit aufgegriffen werden, als Franchise-Verträge gem. §§ 510 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 2, 355, 356c BGB schriftlich abzufassen sind und mit einer Widerrufsbelehrung versehen werden.
Zum 13.6.2014 wurde die "Richtlinie über die Rechte der Verbraucher" umgesetzt und die Vorschriften über das Widerrufsrecht wurden neu geregelt. § 360 BGB in seiner bisherigen Fassung ist ersatzlos weggefallen. Die Anforderungen an die Widerrufsbelehrung richten sich jetzt nach §§ 356c, 356, 355 Abs. 1, 2 BGB n.F. i.V.m. Art. 246 Abs. 3, 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB. Danach kann der Unternehmer dem Verbraucher die Möglichkeit einräumen, das Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB oder eine andere eindeutige Widerrufserklärung auf der Webseite des Unternehmens auszufüllen und zu übermitteln. Daneben sollten weiterhin die von der Rechtsprechung entwickelten Formerfordernisse berücksichtigt werden. Demnach ist die Widerrufsbelehrung entweder auf einer separaten Seite aufzuführen oder durch eine drucktechnisch deutliche Gestaltung wie z.B. Sperrschrift, Unterstreichung, Einrahmung oder Verwendung einer anderen Drucktype hervorzuheben. Eine Pflicht des Verbrauchers, die Möglichkeit zum Widerruf auf der Webseite des Unternehmers zu nutzen, besteht nicht. Macht der Verbraucher von dieser Möglichkeit Gebrauch, muss der Unternehmer dem Verbraucher den Zugang des Widerrufs unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger bestätigen. Unter dauerhaften Datenträgern können z.B. E-Mail, Computerfax, CD-ROM oder USB-Stick verstanden werden. Eine Verletzung dieser Pflicht ist in der Regel sanktionslos, da sie lediglich eine Beweisfunktion erfüllt.
Mangels Überleitungsvorschrift ist die alte Rechtslage für die bis zum 12.6.2014 abgeschlossenen Franchise-Verträge weiterhin zu beachten. Unterschiede ergeben sich in Bezug auf das Erlöschen des Widerrufsrechts des Franchisenehmers bei unterbliebener bzw. unvollständiger oder unrichtiger Widerrufsbelehrung. Nach alter Rechtlage besteht das Widerrufsrecht in diesen Fällen gem. § 355 Abs. 4 S. 3 BGB zeitlich unbegrenzt fort, wohingegen dieses nach neuem Recht nach einem Jahr und 14 Tagen nach Vertragsschluss gem. § 356 Abs. 3 S. 2 BGB erlischt.
Im Gegensatz zur früheren Rechtslage kann dem Gesetz auch kein universell einsetzbares gesetzliches Muster für eine Widerrufsbelehrung entnommen werden. Das nunmehr in Anlage 1 zu Art. § 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB enthaltene Muster gibt lediglich Hinweise zu einer Vielzahl von Widerrufsbelehrungen und entbindet einen Franchisegeber nicht mehr von der individuellen Erstellung einer Widerrufsbelehrung.