A. Einleitung
Rz. 1
Gehört eine Immobilie zum Nachlass, stellen sich dem Erben nach dem Erbfall regelmäßig zahlreiche rechtliche Fragen. Diese reichen von allgemeinen Fragen zur Rechtslage und den sich aus dem Übergang des Grundeigentums ergebenden Verpflichtungen über Fragen der Notwendigkeit und des Zeitpunkts der Umschreibung des Grundbuchs bis hin zu spezielleren Fragestellungen, die sich beispielsweise hinsichtlich einer vermieteten Nachlassimmobilie oder hinsichtlich eines angeordneten Immobilienvermächtnisses ergeben. Der Erbe muss zudem entscheiden, wie er die Immobilie künftig nutzen möchte oder ob für ihn eine Übertragung der Immobilie in Frage kommt.
Rz. 2
Die Fragen hinsichtlich der Nachlassimmobilie vervielfachen sich, wenn nicht nur eine, sondern mehrere Personen als Erben an einer Immobilie beteiligt sind. Auch ergeben sich aufgrund der Personenmehrheit Regelungserfordernisse.
Die Immobilie in der Erbengemeinschaft birgt erhebliches Konfliktpotential. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die rechtlichen Grundlagen und die Auswege aus möglichen konfliktträchtigen Situationen.
B. Anfall der Erbschaft
I. Entstehen der Erbengemeinschaft
Rz. 3
Hinterlässt der Erblasser im Wege der gesetzlichen oder der testamentarischen Erbfolge mehrere Erben, so entsteht kraft Gesetzes eine Erbengemeinschaft, § 2032 BGB. An dieser Erbengemeinschaft ist jeder Miterbe unabhängig von seinem Willen beteiligt.
Die Erbengemeinschaft ist auf die Auseinandersetzung ausgerichtet. Sie ist grundsätzlich darauf angelegt, nach der Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten und dem Verteilen des verbleibenden Überschusses aufgelöst zu werden.
Rz. 4
Die Erbengemeinschaft kann nicht durch Vereinbarungen der Miterben begründet werden und somit nach vollständiger Auseinandersetzung auch nicht wiederhergestellt werden. Selbst wenn die Auseinandersetzung nur bezüglich einzelner Gegenstände erfolgt, steht es nicht mehr in der Macht der Erbengemeinschaft, die Gesamthandsgemeinschaft vertraglich durch Rückübertragung der auseinandergesetzten Gegenstände wieder zu begründen.
Rz. 5
Die Erbengemeinschaft besteht, solange noch ein Nachlassgegenstand vorhanden ist, über den sich die Miterben noch nicht auseinandergesetzt haben. Gehört eine Immobilie zum Nachlass, besteht die Erbengemeinschaft an dieser folglich so lange fort, bis sich die Miterben über die Immobilie auseinandergesetzt haben.
II. Gesamthandsgemeinschaft
Rz. 6
Der Nachlass geht mit dem Erbfall als Ganzes auf die Erbengemeinschaft über, § 1922 Abs. 1 BGB, und wird gemeinschaftliches Vermögen der Erbengemeinschaft, § 2032 Abs. 1 BGB. Die Miterben bilden eine Gesamthandsgemeinschaft: Das Vermögen der Erbengemeinschaft ist gesamthänderisch gebundenes Sondervermögen und vom Eigenvermögen der Miterben zu trennen.
Rz. 7
Alle Rechte und Pflichten des Erblassers gehen auf die Erbengemeinschaft über. Die Gemeinschaft der Erben tritt sozusagen in die Fußstapfen des Erblassers. Jeder Miterbe ist zur Teilhabe an sämtlichen Nachlassgegenständen berechtigt, soweit dadurch nicht die Teilhaberechte der übrigen Miterben beeinträchtigt werden.
Als Gesamthandsgemeinschaft ist die Erbengemeinschaft im Wesentlichen auf das gemeinschaftliche, einvernehmliche Handeln der Miterben angewiesen.
III. Immobilie im Nachlass
Rz. 8
Gehört eine Immobilie zum Nachlass, tritt die Erbengemeinschaft im Zeitpunkt des Erbfalls in alle Rechte und Pflichten ein, die sich aus dem Eigentum an der Immobilie ergeben.
1. Gefahr, Haftung und Verkehrssicherungspflichten
Rz. 9
Mit dem Erbfall gehen die Gefahr, die Haftung und die mit dem Eigentum an der Immobilie einhergehenden Verkehrssicherungspflichten auf die Erbengemeinschaft als Eigentümer über. Der Erbengemeinschaft obliegen insbesondere die Räumungs- und Streupflichten. Ist die zum Nachlass gehörende Immobilie vermietet, beziehen sich die gegenüber dem Mieter bestehenden Verkehrssicherungspflichten nicht nur auf die Mietsache selbst, sondern auch auf Zugänge, Treppen, Hausflur, Hofraum, Garten, Aufzug, Zufahrt, Kfz-Stellplatz, die Beleuchtung und das Trinkwasser.
2. Lasten und Kosten
Rz. 10
Die Erbengemeinschaft hat ab dem Erbfall die mit dem Eigentum an der Immobilie einhergehenden Lasten und Kosten zu tragen. Lasten der Immobilie sind die auf der Immobilie liegenden Verpflichtungen zu Leistungen, die aus der Immobilie zu entrichten sind und die den Nutzwert mindern. Zu den Lasten einer Immobilie gehören beispielsweise Straßenanlieger-, Kanalisations-, Müllabfuhr-, Schornsteinfegergebühren oder -beiträge, Brandversicherungsbeiträge, Grundsteuer.
Rz. 11
Auch öffentliche Lasten, wie Erschließungs- und Anliegerbeiträge, hat ab dem Erbfall die Erbengemeinschaft zu tragen. Das gilt sowohl für...