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Die Offenlegung des Jahresabschlusses, also von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung auf der Basis der (Ersten) Publizitätsrichtlinie, kann nur dann allen interessierten Personen europaweit die Informationen zur Bewertung der Gesellschaft verschaffen, wenn auch die Jahresabschlüsse auf einer – zumindest in Grundlagen – einheitlichen Regelung erfolgen. Ansonsten läge keine Vergleichbarkeit vor. Daher wurde in Anschluss an die Publizitätsrichtlinie eine Angleichung des Rechts der Rechnungslegung in Angriff genommen. Ergebnis sind die Vierte und die Siebte Richtlinie. Die Vierte gesellschaftsrechtliche Richtlinie über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (78/660/EWG) vom 25.7.1978 (Bilanzrichtlinie) behandelt Form und Inhalt von Jahresabschlüssen. Diese Richtlinie gilt nicht nur für die AG, sondern auch für die KGaA und die GmbH. Die Umsetzung erfolgte in Deutschland durch das Bilanzrichtliniengesetz vom 19.12.1985. Durch die Änderungsrichtlinie 90/605/EWG (GmbH & Co. Richtlinie) wurde der Anwendungsbereich der Richtlinie auf die GmbH & Co. KG erstreckt. Erleichterungen wurden durch die Richtlinie vom 8.11.1990 (Mittelstandsrichtlinie) für kleine und mittlere Unternehmen vorgenommen, v. a. was die Erstellung und Offenlegung des Anhangs und die Verpflichtung zur Erstellung des Lageberichts betrifft. Durch die Änderungsrichtlinie 2012/6/EU (Micro-Richtlinie) ist die Vierte gesellschaftsrechtliche Richtlinie erneut geändert worden. Sie wurde um eine Öffnungsklausel erweitert, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, Erleichterungen für Kleinstkapital- und KapCo-Gesellschaften zu schaffen. Der deutsche Gesetzgeber hat von den Erleichterungsoptionen mit Erlass des MicroBilG vom 20.12.2012 Gebrauch gemacht.
Durch die Richtlinie 2013/34/EU (EU-Bilanzrichtlinie) vom 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates soll eine erhöhte Klarheit und Vergleichbarkeit von Abschlüssen sowie eine Erleichterung für kleine Unternehmen erreicht werden. Die Richtlinie war von den Mitgliedstaaten bis zum 20.7.2015 in nationales Recht umzusetzen. Noch bevor diese Umsetzungsfrist abgelaufen war, wurde bereits eine Änderungsrichtlinie (2014/95/EU, CSR-Richtlinie) erlassen. Sie sieht vor, dass bestimmte Großunternehmen eingehender als bisher über die Wahrnehmung ihrer sozialen Verantwortung berichten müssen. Die Umsetzung der EU-Bilanzrichtlinie erfolgte in Deutschland durch das Bilanzrichtlinien-Umsetzungsgesetz v. 17.7.2015 (BilRUG). Das Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernberichten (CSR-Richtlinien-Umsetzungsgesetz) wurde am 11.4.2017 im Bundesgesetzblatt verkündet.
Am 14.12.2022 wurde der Text der Richtlinie 2022/2464 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 und der Richtlinien 2004/109/EG, 2006/43/EG und 2013/34/EU hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen angenommen (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD). Durch diese Richtlinie werden nicht nur die Berichterstattungspflichten über nichtfinanzielle Themen für Unternehmen in inhaltlicher Hinsicht ausgeweitet, sondern auch der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen erheblich ausgedehnt.