Rz. 36
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ausdrücklich die Zahlung einer Karenzentschädigung zuzusagen. Dies ergibt sich aus § 74 Abs. 2 HGB. Verweist ein vertragliches Wettbewerbsverbot allerdings auf die maßgeblichen Vorschriften des HGB ("Im Übrigen gelten die gesetzlichen Vorschriften der §§ 74 ff. HGB"), so liegt darin im Zweifel auch die Zusage einer gesetzlichen Karenzentschädigung in der gesetzlichen Mindesthöhe. Fehlt eine Entschädigungszusage vollständig oder wird die Höhe der Entschädigung in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt, ohne dass eine Mindesthöhe i.S.v. § 74 Abs. 2 HGB vereinbart wird, führt dies zur Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots. In der Konsequenz braucht der Arbeitnehmer sich nicht an das Wettbewerbsverbot zu halten, kann jedoch auch keine Entschädigung verlangen. Dies gilt selbst dann, wenn sich der Arbeitnehmer in der irrigen Annahme an das Wettbewerbsverbot gehalten hat, dieses sei wirksam.
Rz. 37
Ist zwar eine Karenzentschädigung zugesagt, unterschreitet diese aber die Maßgabe des § 74b bzw. § 74 Abs. 2 HGB, führt dies nicht zur Nichtigkeit des Wettbewerbsverbotes. Vielmehr ist das Wettbewerbsverbot lediglich für den Arbeitnehmer unverbindlich. Dies ergibt sich aus § 74a Abs. 1 S. 2 HGB. Der Arbeitnehmer hat ein Wahlrecht, ob er die Abrede gelten lassen will oder nicht. Dieses Wahlrecht ist unwiderruflich und muss zu Beginn der Karenzzeit ausgeübt werden. Entscheidet sich der Arbeitnehmer dafür, sich nicht an das Wettbewerbsverbot zu halten und übt das Wahlrecht wirksam und durch ausdrückliche Erklärung aus, entfällt die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung einer Karenzentschädigung. Entscheidet sich der Arbeitnehmer allerdings dafür, sich an das Wettbewerbsverbot zu halten, hat er nicht nur einen Anspruch auf die vereinbarte (zu geringe) Karenzentschädigung, sondern auf die gesetzlich fixierte Karenzentschädigung. Hierfür spricht der Gesetzeszweck des § 74 Abs. 2 HGB. Während für die Loslösung von einem unverbindlichen Wettbewerbsverbot unstreitig eine ausdrückliche Erklärung erforderlich ist, soll es für ein Festhalten hieran ausreichen, wenn der Arbeitnehmer konkludent zu verstehen gibt, sich an das Wettbewerbsverbot zu halten. Ausreichend sein soll es bereits, wenn der Arbeitnehmer eine Tätigkeit aufnimmt, die – die Wirksamkeit des Wettbewerbsverbotes unterstellt – nicht wettbewerbswidrig wäre. Wird bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot die Höhe der Entschädigung in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt, ohne dass eine Mindesthöhe i.S.v. § 74 Abs. 2 HGB vereinbart wird, ist das Wettbewerbsverbot für den Arbeitnehmer unverbindlich.
Rz. 38
Dem Interesse des Arbeitgebers soll dadurch Rechnung getragen werden, dass dieser in Anlehnung an § 264 Abs. 2 S. 1 BGB die Möglichkeit hat, den betroffenen Arbeitnehmer unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Vornahme der Wahl aufzufordern. Diese Ansicht ist abzulehnen. Sie ist zum einen dogmatisch inkonsistent: Wenn der Arbeitnehmer das Wahlrecht konkludent, also durch schlüssiges Verhalten ausübt, bedarf es keiner weiteren Ausübung des Wahlrechts, zu der gem. § 264 Abs. 2 S. 1 BGB aufgefordert werden kann. Vielmehr ist das Wahlrecht ausgeübt, und diese Ausübung ist unwiderruflich. Zum anderen trägt die Gegenansicht den berechtigten Interessen an der Rechtssicherheit nicht nur des Arbeitgebers, sondern auch des Arbeitnehmers nicht Rechnung. Der Arbeitnehmer hat ein eigenes rechtliches Interesse daran, Rechtssicherheit darüber zu haben, ob er innerhalb der vereinbarten Zeit des Wettbewerbsverbotes eine wettbewerbswidrige Tätigkeit aufnehmen kann. Dies gilt auch dann, wenn er unmittelbar zu Beginn der Karenzzeit eine nicht wettbewerbswidrige Tätigkeit aufnimmt. Denn beendet er diese Tätigkeit innerhalb der Karenzzeit und nimmt dann eine andere, wettbewerbswidrige Tätigkeit auf, würde er ansonsten einem bestehenden Wettbewerbsverbot zuwiderhandeln und sich schadensersatzpflichtig machen. Ein entsprechendes Interesse hat natürlich auch der Arbeitgeber, der wissen muss, ob der Arbeitnehmer das Wettbewerbsverbot gelten lassen möchte oder nicht. Für den Arbeitgeber knüpfen hieran nicht nur Zahlungspflichten an, sondern auch Gestaltungsmöglichkeiten. Zu fordern ist daher, dass im Falle des unverbindlichen Wettbewerbsverbotes der Arbeitnehmer spätestens zu Beginn der Karenz seine Entscheidung über die Gültigkeit oder Ungültigkeit des Wettbewerbsverbotes trifft und diese (empfangsbedürftig) mitteilt. Unterlässt der Arbeitnehmer die Mitteilung, wird das Wettbewerbsverbot verbindlich, und es besteht – außer im Falle der einvernehmlichen Aufhebung – keine Möglichkeit mehr für den Arbeitnehmer, sich hiervon zu lösen.
Rz. 39
Praxishinweis
Der Arbeitgeber sollte die Rechtsprechung des BAG seinem Handeln zugrunde legen. Erkennt er, dass ein vereinbartes Wettbewerbsverbot unverbindlich ist, sollte er den Arbeitnehmer bereits vor Beginn der Karenz zu einer Entscheidung auffordern.
Der anwaltliche...