Dr. K. Jan Schiffer, Christoph Schürmann
Rz. 70
Die sog. Familienstiftung ist keine gesonderte Stiftungsart, sondern eine Unterart der rechtsfähigen Stiftung des Privatrechts. Die Familienstiftung dient typischerweise dazu, größere Vermögen zusammenzuhalten und die Familie zu versorgen. Damit sind nicht nur die sogleich noch näher zu behandelnden Fälle der unternehmensverbundenen Stiftungen gemeint, denn auch nicht unternehmerisch orientierte Vermögen lassen sich natürlich in einer Familienstiftung zusammenhalten. In der Praxis finden sich hier oft Mischfälle. Der Umfang der Versorgung der Familie reicht von regelmäßigen Zahlungen an die betreffenden Familienmitglieder bis zur Unterstützung "nur" bei der Ausbildung und in Notlagen. Welchen Umfang diese Familienförderung haben muss, ist allerdings beinahe schon "traditionell" umstritten. Die Frage wird zudem für das Stiftungszivilrecht anders beantwortet als für das Stiftungssteuerrecht.
Rz. 71
Der Begünstigtenkreis (Destinatäre), der die Familienstiftung kennzeichnet, wird ebenfalls nicht einheitlich definiert. Die Abgrenzungsansätze reichen von der Person des Stifters und seinen in gerader Linie mit ihm Verwandten bis hin zu mehreren Familien im Sinne der viel weiteren Definition der Familie in der AO. Die Art und Weise der Familienbegünstigung ist ebenfalls nicht in allen Gesetzen gleich definiert. So wird in den stiftungsrechtlichen, d.h. zivilrechtlichen Definitionen zumeist eine immaterielle Begünstigung als ausreichend angesehen, im Steuerrecht hingegen auch ein materieller Vorteil gefordert.
Rz. 72
Mit Blick auf die Ersatzerbschaftsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist eine Familienstiftung nach Auffassung der Finanzverwaltung (R E 1.2 Abs. 2 ErbStR 2019) gegeben, wenn nach der Stiftungssatzung der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge entweder zu mehr als 50 % bezugs- oder anfallsberechtigt sind oder wenn sie zu mehr als 25 % bezugs- oder anfallsberechtigt sind und zugleich zusätzliche Merkmale ein "wesentliches Familieninteresse" belegen. Dabei soll nach der Finanzverwaltung bereits die satzungsmäßige Bezugsberechtigung das Wesen der Familienstiftung prägen, ohne dass es auf tatsächlich erfolgte Ausschüttungen ankommt.
Entgegen dieser Auffassung ist aber nach dem Wortlaut und Sinn des Gesetzes für die Einstufung als Familienstiftung zu fordern, dass den begünstigten Familienangehörigen (Destinatären) entweder mindestens 75 % der laufenden Bezüge und des bei der Auflösung der Stiftung anfallenden Vermögens zugesagt sein müssen ("Löwenanteilstheorie") oder aber zumindest ⅓, wobei dann weitere qualitative Indizien für ein besonderes Vermögensinteresse der Familie hinzukommen müssen.
Rz. 73
Außerhalb des Steuerrechts entscheidet die Einordnung als Familienstiftung vor allem darüber, ob und in welchem Umfang die jeweilige Stiftung der staatlichen Stiftungsaufsicht unterliegt. So entfällt beispielsweise bei der Familienstiftung nach dem Stiftungsgesetz Baden-Württemberg die ansonsten für die Stiftung geltende Verpflichtung, bestimmte Rechtsgeschäfte der Stiftung im Voraus anzuzeigen.