Rz. 34
Gemäß Abschnitt A.1.1.4, E.1.2.4 AKB 2015 gilt der Versicherer als bevollmächtigt, im Namen der versicherten Personen Ansprüche aus Anlass eines Schadensfalls zu befriedigen und/oder abzuwehren und alle dafür zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens abzugeben. Die Regulierungsvollmacht des Versicherers umfasst das Recht zum Anerkenntnis, zur Zahlung, zum Abschluss gerichtlicher oder außergerichtlicher Vergleiche, zur Aufnahme von Prozessen, zu Kostenübernahmeerklärungen, zum Verzicht auf die Einrede der Verjährung und auch zur Beauftragung von Rechtsanwälten für den Versicherer und die versicherten Personen.
Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer sämtliche begründeten Ansprüche aus Anlass eines Schadensfalls ausgleichen muss. Wenn er hierzu verpflichtet ist, soll er auch grundsätzlich allein darüber entscheiden dürfen, in welchen Fällen er in die Regulierung eintritt und in welchen nicht. Im Rahmen dieser Entscheidung ist er allein an die Grundsätze pflichtgemäßen Ermessens gebunden. Das Regulierungsermessen ist einer gerichtlichen Überprüfung zwar zugänglich, jedoch ist eine Regulierungsentscheidung des Versicherers nur in bestimmten Ausnahmefällen für den Versicherungsnehmer nicht verbindlich. Das Regulierungsermessen des Versicherers ist grundsätzlich weit gefasst und kann durch das Gericht nur auf grobe Fehler hin überprüft werden. Dabei ist der Versicherer sogar dazu berechtigt, einen Rechtsstreit durch eine Regulierung zu vermeiden, wenn dies allein aus wirtschaftlichen Überlegungen erfolgt.
Rz. 35
Wird ein Schaden durch den Kfz-Haftpflichtversicherer reguliert, führt dies automatisch zur Rückstufung des Versicherungsnehmers in der Schadensfreiheitsklasse. Dieser Umstand allein ist nicht dazu geeignet, die Regulierungsvollmacht zu begrenzen. Eine Regulierung durch den Versicherer hat somit nicht nur Vorteile. Der Vorteil, durch den Versicherer von einer Schadensersatzverpflichtung befreit zu werden, kehrt sich in einen Nachteil um, wenn die Regulierung zu Unrecht erfolgt. Der Versicherungsnehmer muss eine Entscheidung des Versicherers dann nicht gegen sich gelten lassen, wenn offensichtlich ist, dass der Versicherer sein Regulierungsermessen falsch ausgeübt hat. Dies erfordert, dass die Regulierungsentscheidung erstens objektiv unrichtig war und die Fehlbearbeitung zweitens auf grober Nachlässigkeit beruht. Letzteres ist der Fall, wenn der Sachbearbeiter des Versicherers nahe liegende Überlegungen ignoriert oder einen erkennbar bzw. leicht nachweisbar unbegründeten Schadensersatzanspruch ausgeglichen hat. Dabei muss der offensichtlich unbegründete Anspruch der Gegenseite auch leicht abzuwehren sein. Maßgeblich ist jeweils der Kenntnisstand des Sachbearbeiters des Versicherers zum Zeitpunkt der Regulierungsentscheidung.
Dem Versicherungsnehmer kann gegen den Versicherer ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB zustehen, wenn seitens des Versicherers eine ermessensfehlerhafte Regulierung erfolgt, die einen Verstoß gegen eine dem Versicherer obliegende leistungsbezogene Nebenpflicht i.S.d. § 241 BGB darstellt. Der Versicherungsnehmer hat eine solche Pflichtverletzung und ein Verschulden des Mitarbeiters des Versicherers zu beweisen. Der Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer ist dann darauf gerichtet, so gestellt zu werden, als sei richtig reguliert worden.
Rz. 36
Beispiel
A unterhält bei der H-Versicherung einen Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag für seinen Pkw Mercedes Benz. Das Fahrzeug wird in einen Unfall auf einer beampelten Kreuzung mit dem Pkw des B verwickelt. Die Verursachungs- und Verschuldensfrage ist zwischen A und B streitig. Beide behaupten, ihre Ampel habe grün gezeigt. Der Unfall wird polizeilich aufgenommen. Nach dem Unfall meldet sich ein Zeuge bei der Polizei, der bestätigt, B sei bei Rotlicht über die Ampel gefahren. In der Zwischenzeit meldet B bei der H-Versicherung Ansprüche auf Schadensersatz an. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben von A und B über den Unfallhergang entscheidet der zuständige Sachbearbeiter der H-Versicherung, die Ansprüche des B auf der Grundlage einer Haftung von 50 % zu regulieren. Zuvor nahm er keine Einsicht in die amtlichen Ermittlungsakten. Infolge der Regulierung des Schadens wird A in die nächst höhere Schadensfreiheitsklasse eingestuft.
Rz. 37
Muster 16.8: Missbrauch der Regulierungsvollmacht des Kfz-Haftpflichtversicherers
Muster 16.8: Missbrauch der Regulierungsvollmacht des Kfz-Haftpflichtversicherers
_________________________ Versicherung AG
_________________________
Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________
Schaden vom _________________________
Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ihr Versicherungsnehmer _________________________ aus _________________________ bat mich um anwaltliche Assistenz. Eine Kopie der auf mich lautenden Vollmacht füge ic...