Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 1603
Die Fortbildung ist insbesondere im Bereich der Finanzwirtschaft Voraussetzung, um Verträge erfolgreich vermitteln zu können (LG Düsseldorf v. 1.4.2011 – 15 O 144/10, EversOK Ls. 19).
Vereinbarungen über die Rückzahlung der Ausbildungs- oder Fortbildungskosten im Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die angestellte Vertriebskraft sind grundsätzlich zulässig (BAG v. 5.12.2002 – 6 AZR 216/01, EversOK Ls. 11, BAG v. 25.4.2001 – 5 AZR 509/99, EversOK Ls. 6). Sie stellen nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es in der Hand der angestellten Vertriebskraft liegt, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen (BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, juris Rn 27; OLG Köln v. 13.9.2012 – 19 U 54/12, EversOK Ls. 6).
Aus diesem Grunde wird sich das Bedürfnis nach einer entsprechenden vertraglichen Regelung für den Fall stellen, wenn das Beschäftigungsverhältnis, aus welchen Gründen auch immer, vorzeitig endet. Sofern entsprechende Regelungen arbeitgeberseitig vorformuliert sind, müssen sie einer entsprechenden Wirksamkeits- bzw. Inhaltskontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB standhalten. Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB kann sich insbesondere aus einer faktischen Kündigungserschwernis ergeben. Eine Belastung der angestellten Vertriebskraft mit Ausbildungskosten muss demnach bei verständiger Betrachtung einerseits einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen. Die angestellte Vertriebskraft muss andererseits mit der Aus- oder Fortbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Insgesamt muss ihr die Erstattungspflicht zuzumuten sein. Das ist aufgrund einer auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogenen Güter- und Interessenabwägung unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (BAG v. 5.12.2002 – 6 AZR 216/01, EversOK Ls. 12).
Nach der im Rahmen von § 307 BGB anzustellenden Interessenabwägung ist auch der die Rückzahlungspflicht auslösende Tatbestand zu berücksichtigen. Es ist nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden der angestellten Vertriebskraft zu knüpfen, das innerhalb der mit der Klausel vorgesehenen Bindungsfrist stattfindet. Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens unterschieden werden (BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, EversOK Ls. 20). Eine unangemessene Benachteiligung der angestellten Vertriebskraft aufgrund einer faktischen Kündigungserschwernis kann sich daher insbesondere daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht danach unterscheidet, ob der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung, also der Sphäre der angestellten Vertriebskraft oder der des Arbeitgebers zuzuordnen ist. Das wäre der Fall, wenn die Klausel eine Rückzahlungspflicht im Falle der Eigenkündigung ohne Ausnahme vorsieht, also auch dann, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber (mit)veranlasst wurde, z.B. im Fall der Eigenkündigung wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers (BAG v. 13.12.2001 – 3 AZR 791/09, EversOK Ls. 4; LAG Rheinland-Pfalz v. 21.12.2006 – 11 Sa 686/06, EversOK Ls. 13). Eine Klausel in einer formularmäßigen Vereinbarung über Ausbildungskostenerstattung kann nicht mit dem Inhalt aufrechterhalten werden, dass die angestellte Vertriebskraft nur bei einer ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnenden Eigenkündigung zur Rückzahlung der Ausbildungskosten verpflichtet ist, da dies eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion darstellen würde (BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, EversOK Ls. 22). Zu den Umständen, die für die Zulässigkeit einer Bindung der angestellten Vertriebskraft durch Rückzahlungsverpflichtung für vom Arbeitgeber getragene Ausbildungskosten maßgebend sind, gehört auch das Verhältnis von Ausbildungs- und Bindungsdauer (BAG v. 23.2.1983 – 5 AZR 531/80, EversOK Ls. 1). Bei einer Lehrgangsdauer von drei bis vier Monaten ist eine Bindungsdauer von zwei Jahren jedenfalls nicht zu lang bemessen (BAG v. 6.9.1995 – 5 AZR 241/94, EversOK Ls. 2). Sieht eine formularmäßige Rückzahlungsklausel für Ausbildungskosten eine unangemessene Bindungsdauer für die angestellte Vertriebskraft vor, führt dies im Allgemeinen zur Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel insgesamt, sodass ein Rückzahlungsanspruch nicht besteht (BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, EversOK Ls. 3).
Die Rückzahlung der Kosten der Ausbildung zum Versicherungsfachmann/-frau ist der angestellten Vertriebskraft nicht unzumutbar, wenn der Arbeitgeber ihr eine Versetzung in einen anderen Organisationsbezirk verweigert hat und sie so zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst worden ist. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn der Arbeitgeber nicht nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB verpflichtet war, dem Versetzungsgesuch stattzugeben. Ein Arbeitnehmer, der aus privaten Gründen den Wohnsitz wechselt, hat keinen Anspruch darauf, dass ihm der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz in der Nähe des neuen Wohnorte...