Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 1569
Arbeitgeber haben einerseits ein Interesse daran, dass Arbeitnehmer ihre erlangten Kenntnisse nur zum Nutzen des Betriebs nutzen, der sie beschäftigt, und nicht für andere Unternehmen. Andererseits haben Arbeitnehmer ein Interesse an der möglichst gewinnbringenden Nutzung ihrer Fähigkeiten und an einem beruflichen Fortkommen. Dieser Interessenkonflikt zwischen den Rechten der Arbeitnehmer aus Art. 12 GG und denen der Arbeitgebers aus Art. 14 GG wird durch die Regeln über ein Wettbewerbsverbot gem. §§ 60, 61, 74 ff. HGB und den §§ 823, 826 BGB, §§ 6 ff., 4, 2 GeschGehG geregelt (vgl. BAG v. 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, EversOK Ls. = DB 1994, 887, 888).
1. Vertragliches Wettbewerbsverbot
Rz. 1570
Das Wettbewerbsverbot während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses ist für kaufmännische Angestellte in § 60 Abs. 1 HGB geregelt. Dessen Rechtsgedanke ist jedoch auch auf sonstige Arbeitsverhältnisse übertragbar, sodass auch für nichtkaufmännische Arbeitnehmer ein Wettbewerbsverbot gilt (BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, NZA 2013, 748, 749; BAG v. 16.6.1976 – 3 AZR 73/75, AP Nr. 8 zu § 611 BGB – Treuepflicht).
Rz. 1571
Durch das Wettbewerbsverbot soll der Arbeitgeber davor geschützt werden, dass angestellte Vertriebskräfte ihre Kenntnisse und Fähigkeiten sowie etwaige Kundenkontakte zugunsten von Wettbewerbern einsetzen und diese dadurch fördern. Dem Arbeitgeber soll der Marktbereich seiner Tätigkeit uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch die angestellte Vertriebskraft offenstehen (BAG v. 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, EversOK Ls. 28). Das Wettbewerbsverbot nach § 60 HGB gilt nur während der Vertragszeit (BAG v. 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, EversOK Ls. 26). Dabei kommt es nur auf den rechtlichen und nicht auf den tatsächlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses an. Das Wettbewerbsverbot gilt daher auch während der Weiterbeschäftigung aufgrund des Beschäftigungsanspruches oder der Suspendierung des Arbeitsverhältnisses. Mit der Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses erlischt auch die Pflicht, Wettbewerb zulasten des Arbeitgebers gem. § 60 HGB zu unterlassen (BAG v. 30.5.1978 – 2 AZR 630/76, AP Nr. 9 zu § 60 HGB m. Anm. Schröder; Schaub/Vogelsang, ArbRHB, § 54 Rn 6). Umstritten ist, unter welchen Voraussetzungen die angestellte Vertriebskraft zur Wettbewerbsunterlassung verpflichtet ist, wenn sie eine Kündigung des Arbeitgebers im Wege der Kündigungsschutzklage angreift. Nach Auffassung des BAG sollen Arbeitnehmer grds. bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehalten sein, Arbeitgebern keine Konkurrenz in deren Handelszweig zu machen (BAG v. 25.4.1991 – 2 AZR 624/90, BB 1992, 72). Zweifelhaft ist demgegenüber die Auffassung, dass dem Arbeitgeber nach Ausspruch einer von der angestellten Vertriebskraft angefochtenen fristlosen Kündigung ein Anspruch auf Unterlassung von Wettbewerbshandlungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses nur unter der Voraussetzung zustehen soll, dass er ihm hierfür gleichzeitig eine monatliche Entschädigung mindestens i.H.e. Karenzentschädigung nach §§ 74 ff. HGB anbietet (LAG Köln v. 4.7.1995, EversOK Ls. 7 = NZA-RR 1996, 2). Durch Anfechtung der fristlosen Kündigung bringt die angestellte Vertriebskraft unmissverständlich zum Ausdruck, die Rechte aus dem Arbeitsvertrag weiter in Anspruch nehmen zu wollen. Dies bedeutet in der Konsequenz, dass arbeitnehmerseitig auch die arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen sind. Auch das Interesse der angestellten Vertriebskraft, ihren Lebensunterhalt während der Dauer des Kündigungsschutzverfahrens möglichst angemessen zu sichern, kann nicht von den arbeitsvertraglichen Pflichten dispensieren. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn die angestellte Vertriebskraft sich ihrerseits fristlos vom Arbeitsvertrag lösen kann, bevor sie zum Arbeitgeber in Wettbewerb tritt.
Rz. 1572
Nach § 60 HGB ist dem Arbeitnehmer nicht die Ausübung jeglichen Handelsgewerbes untersagt, sondern nur das Betreiben eines solchen Handelsgewerbes, das derselben Art des Arbeitgebers entspricht, also zu dessen Handelszweig gehört. Damit sind solche Geschäfte gemeint, die üblicherweise entsprechend der Art und dem Gegenstand des Unternehmens vom Arbeitgeber tatsächlich betrieben werden. Ein Handelsgewerbe betreibt, wer ein Gewerbe für eigene oder fremde Rechnung durchführt, sich als persönlich haftender Gesellschafter an einer Personengesellschaft beteiligt, ein anderer unter seinem Namen handelt oder wenn er einen Strohmann vorschiebt, der im eigenen Namen handelt. Das anderweitig ausgeübte Gewerbe muss den Arbeitgeber schädigen und wettbewerbsmäßig eine Gefahr bedeuten können (vgl. BAG v. 25.5.1970 – 3 AZR 384/69, AP Nr. 4 zu § 60 HGB; BAG v. 3.5.1983 – 3 AZR 62/81, AP Nr. 10 zu § 60 HGB; BAG v. 6.10.1988 – 2 AZR 150/88, juris Rn 29). Bereits die Beteiligung an einem Unternehmen, das mit dem Arbeitgeber in Wettbewerb steht, stellt einen § 60 HGB verletzenden Wettbewerb dar, ohne dass eine persönliche Aktivität der angestellten Vertriebskraft erforde...