Norbert Schneider, Lotte Thiel
Rz. 21
Auf andere Familiensachen ist die Regelung des § 48 Abs. 3 RVG nicht – auch nicht analog – anwendbar. Sie erstreckt sich daher nicht auf isolierte Familiensachen. Dafür muss gesondert Verfahrenskostenhilfe beantragt und bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet werden.
Beispiel 17: Vereinbarung im Verfahren der elterlichen Sorge auch über Umgang
Im Verfahren über die elterliche Sorge, für das Verfahrenskostenhilfe bewilligt ist, einigen sich die Beteiligten auch über das Umgangsrecht.
Die Verfahrenskostenhilfe in einem Verfahren über die elterliche Sorge erstreckt sich nicht auch auf eine Einigung über ein nicht anhängiges Umgangsrecht. Dafür muss gesondert Verfahrenskostenhilfe beantragt und bewilligt werden.
Rz. 22
Wird außerhalb des Anwendungsbereichs des § 48 Abs. 3 RVG eine Einigung über gerichtlich nicht anhängige Gegenstände geschlossen und die Verfahrenskostenhilfe auf den Mehrwert der Einigung erstreckt, ist strittig, ob die Erstreckung auch die Verfahrensdifferenzgebühr nach Nrn. 3100, 3101 Nr. 2 VV und die Terminsgebühr erfasst. Seit der Neufassung des § 48 Abs. 3 RVG zum 1.9.2013 durch das 2. KostRMoG schließt die überwiegende Rspr. im Umkehrschluss, dass sich den Fällen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 48 Abs. 3 RVG die Verfahrenskostenhilfe nur auf die Einigungsgebühr erstrecke, und der bedürftige Beteiligte die übrigen Kosten selbst tragen müsse.
Beispiel 18: Einigung unter Einbeziehung nicht anhängiger Gegenstände
Im Verfahren auf Zahlung von Zugewinnausgleich in Höhe von 6.000,00 EUR wird ein Vergleich auch über nicht anhängigen Unterhalt geschlossen (Wert: 3.600,00 EUR). Das Gericht bewilligt die Verfahrenskostenhilfe und erstreckt die Beiordnung auch auf den Mehrwert des Vergleichs.
Eine Erstreckung nach § 48 Abs. 3 RVG kommt jetzt nicht in Betracht. Nach der o.g. Auffassung müsste die Landeskasse aus dem Mehrwert lediglich die Einigungsgebühr zahlen.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV, § 49 RVG |
|
347,10 EUR |
|
(Wert: 6.000,00 EUR) |
|
|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV, § 49 RVG |
|
320,40 EUR |
|
(Wert: 6.000,00 EUR) |
|
|
3. |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV, § 49 RVG |
267,00 EUR |
|
|
(Wert: 6.000,00 EUR) |
|
|
4. |
1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV, § 49 RVG |
378,00 EUR |
|
|
(Wert: 3.600,00 EUR) |
|
|
|
gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,5 aus 9.600,00 EUR, § 49 RVG |
|
460,50 EUR |
5. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.148,00 EUR |
|
6. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
218,12 EUR |
Gesamt |
|
1.366,12 EUR |
Der Mandant müsste aus der eigenen Tasche hinzuzahlen:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV, § 13 RVG |
|
460,20 EUR |
|
(Wert: 6.000,00 EUR) |
|
|
2. |
0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101 Nr. 2 VV, § 13 RVG |
|
201,60 EUR |
|
(Wert: 3.600,00 EUR) |
|
|
|
Die Grenze des § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,3 aus 9.600,00 EUR (725,40 EUR), ist nicht überschritten |
|
|
3. |
abzüglich 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV, § 13 RVG |
|
– 460,20 EUR |
|
(Wert: 6.000,00 EUR) |
|
|
4. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV, § 13 RVG |
|
669,60 EUR |
|
(Wert: 9.600,00 EUR) |
|
|
5. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV, § 13 RVG |
|
– 424,80 EUR |
|
(Wert: 6.000,00 EUR) |
|
|
|
Zwischensumme |
446,40 EUR |
|
6. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
84,82 EUR |
Gesamt |
|
531,22 EUR |
Rz. 23
Rechtsprechung aus der Zeit vor Inkrafttreten des 2. KostRMoG ist nur noch bedingt verwertbar.
Rz. 24
Übersicht über die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte seit Inkrafttreten des 2. KostRMoG
KG |
Keine Erstreckung |
OLG Celle (10. Senat) |
Keine Erstreckung |
OLG Celle (15. Senat) |
Erstreckung |
OLG Celle (21. Senat) |
Erstreckung |
OLG Dresden |
Keine Erstreckung |
OLG Frankfurt (5. Senat) |
Keine Erstreckung |
OLG Hamm (6. Senat) |
Erstreckung |
OLG Jena |
Keine Erstreckung |
OLG Karlsruhe |
Erstreckung |
OLG Koblenz (9. Senat) |
Erstreckung |
OLG Koblenz (13. Senat) |
Keine Erstreckung |
OLG Koblenz (13. Senat) |
Erstreckung, wenn nach Vergleichsschluss bewilligt im Fall von Trennungsunterhaltsverfahren mit Mehrvergleich zum nachehelichen Unterhalt |
OLG Köln (12. Senat) |
Keine Erstreckung |
OLG Köln |
Keine Erstreckung |
OLG Köln |
Keine Erstreckung |
OLG Nürnberg |
Keine Erstreckung |
OLG Oldenburg |
Keine Erstreckung |
OLG Stuttgart |
Erstreckung |
OLG Zweibrücken |
Erstreckung |
OLG Zweibrücken |
Erstreckung jedenfalls, wenn zwischen dem eigentlichen Verfahrensgegenstand und dem zusätzlichen Gegenstand des Mehrvergleichs ein enger Zusammenhang besteht (hier: Sorgerecht und Umgangsrecht). |
Rz. 25
In Anbetracht der divergierenden Rechtsprechung sollte daher ausdrücklich die Erstreckung auch auf die Verfahrensdifferenzgebühr und die Terminsgebühr beantragt werden oder wie es in § 48 Abs. 3 RVG heißt: "auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten". Bewilligt das Gericht in seinem Beschluss die Verfahrenskostenhilfe auch für die Verfahrens- und Terminsgebühr, dann greift die Bindungswirkung dieser Entscheidung.