Norbert Schneider, Lotte Thiel
I. Mutwilligkeit
Rz. 69
Getrenntes Vorgehen in gesonderten Verfahren kann dann mutwillig sein, wenn es dem bedürftigen Beteiligten zuzumuten ist, seine verschiedenen Begehren in einem Verfahren geltend zu machen. Insoweit kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an.
Rz. 70
In der Regel wird es als mutwillig angesehen, wenn verschiedene Kindschaftssachen in gesonderten Verfahren geltend gemacht werden.
Beispiel 39: Mutwilligkeit bei getrenntem Vorgehen (Umgang und Sorge)
Die Kindesmutter leitet ein Verfahren zur Regelung des Umgangs ein und ein gesondertes Verfahren zur Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge.
In der Regel dürften keine sachlichen Gründe bestehen, beide Anträge nicht in demselben Verfahren geltend zu machen. Verfahrenskostenhilfe für ein getrenntes Vorgehen ist in diesem Fall nicht zu bewilligen, sondern nur für ein gemeinsames Vorgehen.
Rz. 71
Ebenso dürfte es mutwillig sein, Ehegattenunterhalt und Kindesunterhalt gesondert geltend zu machen, wenn hierfür keine besonderen Gründe sprechen, oder Kindesunterhalt vor und nach der Scheidung.
Beispiel 40: Mutwilligkeit bei getrenntem Vorgehen (Kindes- und Ehegattenunterhalt)
Die Ehefrau verlangt 500,00 EUR Ehegattenunterhalt und in einem gesonderten Verfahren 317,00 EUR Kindesunterhalt für das gemeinsame Kind.
Da sich der Unterhalt in beiden Fällen gegen diese Person (Ehemann und Vater) richtet und die Einkommensverhältnisse dieselben sind, gibt es an sich keinen Grund, hier getrennt vorzugehen. Verfahrenskostenhilfe ist daher für das getrennte Vorgehen abzulehnen und nur für einen gemeinsamen Antrag zu bewilligen.
II. Keine Prüfung im Festsetzungsverfahren
Rz. 72
Die Frage, ob getrenntes Vorgehen mutwillig ist oder nicht, ist ausschließlich im Bewilligungsverfahren zu prüfen. Hat das Gericht für getrenntes Vorgehen Verfahrenskostenhilfe bewilligt, dann sind die Festsetzungsorgane daran gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht an sich keine getrennte Bewilligung hätte aussprechen dürfen. Versäumnisse im Bewilligungsverfahren können jedoch nicht mehr korrigiert werden.
Beispiel 41: Keine Prüfung der Mutwilligkeit im Festsetzungsverfahren
Die Ehefrau hatte ein gesondertes Verfahren auf Regelung des Umgangs und ein gesondertes Verfahren auf Übertragung der elterlichen Sorge eingeleitet. Das FamG hat für beide Verfahren uneingeschränkte Verfahrenskostenhilfe bewilligt.
Ungeachtet dessen, dass die Bewilligung eigentlich nicht hätte ausgesprochen werden dürfen (siehe Rdn 39), kann der Anwalt die Verfahren mit der Landeskasse getrennt abrechnen: