Dr. Michael Pießkalla, Gesine Reisert
Rz. 8
Der Rechtsanwalt hat häufig für den Mandanten die Frage zu klären, ob und in welchem Umfang Leistungspflicht einer bestehenden Rechtsschutzversicherung gegeben ist. So stellt sich nicht nur die Frage, ob der Versicherungsnehmer oder ein mitversicherter Dritter Deckungszusage erbittet, sondern auch (z.B.), welches Sachgebiet die Deckung erfassen soll (nachfolgend exemplarisch: Strafrecht/OWi-Recht).
Ob die vom Versicherungsnehmer einer Rechtsschutzversicherung beabsichtigte Interessenwahrnehmung dem Leistungsversprechen des Rechtsschutzversicherers unterfällt und ob sie von einem Leistungsausschluss für die Wahrnehmung bestimmter rechtlicher Interessen erfasst wird, ist in Abhängigkeit vom Versicherungsfall zu bestimmen. Zunächst ist zu prüfen, ob
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der Deckungsbereich betroffen ist, |
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die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen erforderlich ist, |
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Rechtsverfolgungskosten eintreten und seitens der Rechtsschutzversicherung übernommen werden. |
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Hierbei ist zu beachten: Bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls ist der Eintritt ausgeschlossen, zudem ist für die Abwehr von nicht aus einer Vertragsverletzung herrührenden Schadensersatzansprüchen der Rechtsschutzversicherer nicht eintrittspflichtig. |
Rz. 9
Schließlich ist zu prüfen, ob ein Vorvertraglichkeitseinwand erhoben werden kann. Hierzu hat der BGH differenziert: Es geht nicht nur um die zeitliche Einordnung des Versicherungsschutzes, sondern auch darum, mit Hilfe der Beschreibung des Versicherungsfalles zu bestimmen, ob ein Leistungsausschluss den Versicherungsfall erfasst. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Kläger Rechtsschutz nicht für die Abwehr eines Schadensersatzanspruchs, sondern die Durchsetzung eigener vertraglicher Ansprüche begehrt. Für die Festlegung des Rechtsschutzfalles kommt es beispielsweise auf eine Aufrechnung des Gegners und ihre Begründung nicht an, sondern nur auf den mutmaßlichen Vertragsverstoß, der ersichtlich in rechtsschutzversicherter Zeit liegt, auf den der Mandant sein Rechtsschutzbegehren stützen will.
Dabei ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass der BGH folgende Klarstellung vorgenommen hat: Die Bestimmung in § 14 (3) ARB 75, wonach der Versicherungsfall bereits als eingetreten gilt, wenn ein Dritter begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen, und bei mehreren Verstößen der erste adäquat-ursächliche maßgeblich sein soll, bedarf der einschränkenden Auslegung. Der Gesetzes- oder Pflichtenverstoß eines Dritten, mag er auch die spätere Rechtsverfolgung des Versicherungsnehmers adäquat-kausal begründen, kann nur dann den Rechtsschutzfall auslösen und zeitlich festlegen, wenn bereits ein gesetzliches oder vertragliches Schuldverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und seinem Gegner ansteht.
Rz. 10
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat regelmäßig neue Musterbedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) veröffentlicht. Diese neuen Musterbedingungen treten an die Stelle des bisherigen Bedingungswerkes von 1975 bzw. der jeweils bis dahin geltenden ARB. Die neuen Bedingungen haben selbstverständlich nur Geltung für Rechtsschutzverträge, die nach den neuen Bedingungen abgeschlossen sind. Für Verträge, die nach den bisherigen Bedingungen vereinbart sind, gelten weiterhin die ursprünglichen Bedingungen. Abweichende Vereinbarungen sind grundsätzlich aber möglich.