Rz. 31
Im Hinblick darauf, dass seit dem Erbschafsteuergesetz 2009 sämtliches zu vererbendes Vermögen grundsätzlich mit seinem Verkehrswert angesetzt wird, kommt der Möglichkeit, die Verschonungen für Produktivvermögen (§§ 13a ff. ErbStG) in Anspruch nehmen zu können, erhebliche Bedeutung zu. Die Anwendbarkeit der Verschonungsregelung setzt – auch bei Familiengesellschaften – grundsätzlich voraus, dass es sich um gewerbliche Gesellschaften bzw. um Kapitalgesellschaften handelt. Bei Kapitalgesellschaften besteht gemäß § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 1 ErbStG zusätzlich das Erfordernis der Erreichung der Mindestbeteiligungsquote (mehr als 25 % des Nennkapitals).
Rz. 32
Während Kapitalgesellschaften, wie erwähnt, stets einen Gewerbebetrieb unterhalten, ist dies bei Personengesellschaften, auch bei Personenhandelsgesellschaften, nicht zwingend der Fall. Unabhängig von der tatsächlichen Geschäftstätigkeit kann aber durch entsprechende Strukturierung eine gewerbliche Prägung gewährleistet werden. Auch diese führt dazu, dass die Gesellschaft insgesamt als Gewerbebetrieb gilt. Sedes Materiae ist § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, demzufolge eine gewerblich geprägte Personengesellschaft vorliegt, wenn diese mit Einkünfteerzielungsabsicht betrieben wird und der oder die persönlich haftenden Gesellschafter ausschließlich Kapitalgesellschaften oder wiederum gewerblich geprägte Personengesellschaften sind und die Geschäftsführungsbefugnis nur diesen oder Dritten (Nichtgesellschaftern) zusteht. Die Berufung eines der Kommanditisten zum Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ist insoweit aber unschädlich. Gleiches gilt für die Bestellung von Kommanditisten zu Prokuristen oder Generalbevollmächtigten. Eine Gefährdung bzw. ein Wegfall der gewerblichen Prägung ist lediglich dann anzunehmen, wenn einem oder mehreren Kommanditisten (natürliche Personen) organschaftlich begründete Geschäftsführungsbefugnisse zustehen.
Rz. 33
Allein die Wahl der richtigen Rechtsform bzw. die gewerbliche Prägung der Familiengesellschaft eröffnet aber lediglich den Anwendungsbereich der §§ 13a, 13b, 19a ErbStG. Ob und inwieweit die Verschonungen tatsächlich in Anspruch genommen werden können, hängt von vielfältigen weiteren Fragen ab, wobei gerade bei Familiengesellschaften, in denen sämtliche bzw. ein weit überwiegender Teil der Vermögensinteressen der Familie gebündelt werden, dem Gesichtspunkt des Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 2 und 4 ErbStG) besondere Bedeutung zukommt (vgl. hierzu ausführlich oben § 5 Steuerliche Grundlagen).
Unabhängig von der Rechtsform-Frage (Personen- oder Kapitalgesellschaft) kommt seit dem ErbStG 2016 eine Privilegierung von Produktivvermögen nur noch in Betracht, soweit der jeweilige Erwerber vom selben Erblasser Schenker innerhalb einer 10-Jahresfrist nicht begünstigtes Vermögen im Wert von mehr als 26 Mio. EUR erhält (§ 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG). Umso wichtiger ist es vor diesem Hintergrund, die – ebenfalls neu eingeführten – Regelungen betreffend den Wertabschlag für typische Familienunternehmen (§ 13a Abs. 9 ErbStG) zu nutzen (vgl. hierzu Rdn 69 ff.).