Rz. 238
Vor Darstellung einzelner Nachfolgeklauseln in Gesellschaftsverträgen von Kapitalgesellschaften ist zunächst zu klären, warum für diese Gesellschaften überhaupt solche Regelungen erforderlich sind.
Da die Gesellschaftsanteile grundsätzlich vererblich sind, bedarf es eigentlich keiner Regelung über die Nachfolge im Gesellschaftsvertrag. Sollen allerdings nicht alle Erben des verstorbenen Gesellschafters Nachfolger werden oder den verbleibenden Gesellschaftern ein Mitspracherecht hinsichtlich der zukünftigen Zusammensetzung der Gesellschaft eingeräumt werden, sind Regelungen im Gesellschaftsvertrag erforderlich, denn u.a. § 15 Abs. 1 GmbHG, verhindert zunächst, dass einzelne Erben oder gar Nichterben Nachfolger werden.
Eine solche gesellschaftsvertragliche Regelung kann nicht die Vererblichkeit als solche verändern und auch nicht die automatische Einziehung des Geschäftsanteils ermöglichen.
Die qualifizierte Nachfolge muss vielmehr durch die nachfolgenden Klauseln unterstützt werden, um zum gewünschten Ziel der Zuordnung des Geschäftsanteils auf einzelne Erben zu gelangen.
1. Einziehung
Rz. 239
Eine Möglichkeit zum Eingriff in die Nachfolge an einem Gesellschaftsanteil stellt die Regelung der Einziehung dar.
In diesem Fall regelt der Gesellschaftsvertrag, dass beim Tod eines Gesellschafters dessen Gesellschaftsanteil eingezogen werden kann. Wie bereits dargestellt (siehe oben Rdn 156), ist die "automatische" Einziehung unzulässig, denn bei einer solchen Klausel wäre nicht sichergestellt, dass das Kapital des Gesellschaftsanteils vollständig eingezahlt ist und die für die Einziehung zu zahlende Abfindung aus ungebundenem Gesellschaftsvermögen gezahlt werden kann. Beide Sachverhalte sind aber zwingende Voraussetzung zur Einziehung eines Gesellschaftsanteils.
Rz. 240
Bei einer zulässigen Einziehungsklausel muss daher die Einziehung in die Disposition der verbleibenden Gesellschafter gestellt sein, die durch Beschluss gem. § 46 Nr. 4 GmbHG entscheiden. Zusätzlich bedarf es einer Regelung zur Befristung der Einziehung. Der BGH führt hierzu aus, dass eine Regelung in einem Gesellschaftsvertrag, die einer Gesellschaftergruppe das Recht einräumt, einen Mitgesellschafter ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes aus der Gesellschaft auszuschließen, grundsätzlich über den Rahmen des rechtlich und sittlich Erlaubten hinausgeht. Erfolgt jedoch die Einziehung in kurzer Frist nach dem Eintritt des Erben in die Gesellschaft, liegt ein festes Tatbestandsmerkmal vor, das die Sittenwidrigkeit beseitigt.
Rz. 241
Außerdem bedarf die Klausel einer Regelung zum Stimmrecht der Erben bei der Beschlussfassung über die Einziehung, zur Abfindung bei Einziehung und zum Wirksamkeitszeitpunkt der Einziehung.
Die Klausel könnte damit wie folgt lauten:
Formulierungsbeispiel
Geht ein Geschäftsanteil von Todes wegen auf einen oder mehrere Erwerber über, kann dieser Geschäftsanteil auch gegen den Willen der Erwerber eingezogen werden. Über die Einziehung entscheidet die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit. Den Erwerbern des Geschäftsanteils steht bei dieser Beschlussfassung kein Stimmrecht zu. Die Gesellschafterversammlung hat über die Einziehung innerhalb von 3 Monaten seit Kenntnis vom Erbfall zu entscheiden. Den Erwerbern steht im Falle der Einziehung eine Abfindung gem. § (…) des Gesellschaftsvertrages zu, ein Gewinnbezugsrecht bis zur Entscheidung über die Einziehung haben sie nicht. Bis zur Entscheidung über die Einziehung ruht auch ihr Stimmrecht.
2. Abtretung
Rz. 242
Eine weitere Möglichkeit zur Steuerung der Nachfolge in der Kapitalgesellschaft besteht durch Einführung einer Abtretungsklausel.
Mit der Abtretungsklausel werden die Erben verpflichtet, ihren Gesellschaftsanteil an einen Mitgesellschafter, Dritten oder die Gesellschaft selbst abzutreten. Die Abtretung muss gem. § 15 Abs. 3 GmbHG notariell beurkundet werden und bedarf als Vertrag der Mitwirkung des scheidenden Erwerbers.
Eine Abtretungsklausel könnte folgenden Inhalt haben:
Formulierungsbeispiel
Geht ein Geschäftsanteil von Todes wegen auf einen oder mehrere Erwerber über, kann die Gesellschaft von den Erwerbern verlangen, den Geschäftsanteil an einen oder mehrere Mitgesellschafter, Dritte, oder die Gesellschaft selbst zu übertragen. Über das Abtretungsverlangen entscheidet die Gesellschafterversammlung mit ¾ Mehrheit. Den Erwerbern des Gesellschaftsanteils steht bei dieser Beschlussfassung kein Stimmrecht zu. Die Gesellschafterversammlung hat über das Abtretungsverlangen innerhalb von 6 Monaten seit Kenntnis vom Erbfall zu entscheiden. Wird die Abtretung verlangt, erfolgt sie gegen Entgelt gem. § (…) des Gesellschaftsvertrages. Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht der Erwerber ruhen bis zur Abtretung.
3. Kombination aus Einziehungs- und Abtretungsklausel
Rz. 243
Beid...