Rz. 47
In der Praxis besteht ein Bedürfnis für die Vorratsgründung von GmbH, u.a. wegen der nicht effektiv beeinflussbaren Dauer der Eintragung der GmbH im Handelsregister nach der Anmeldung. Die Vorratsgründung ist zulässig, wenn sie offengelegt ist; insb. ist der Unternehmensgegenstand als Verwaltung des eigenen Vermögens der Gesellschaft zu bezeichnen, und die Firma darf keine aktive Geschäftstätigkeit vortäuschen (§ 18 Abs. 2 HGB). Die Vorrats-GmbH betreibt kein Gewerbe, braucht daher mE keine IHK-Beiträge zu zahlen, was die Rspr. aber anders sieht.
Bei der späteren Verwendung einer Vorrats-GmbH gilt nach dem BGH der Grundsatz der wirtschaftlichen Neugründung: Die der Gewährleistung der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften einschl. der registergerichtlichen Kontrolle seien entsprechend anzuwenden, da die Verwendung der Vorrats-GmbH durch ihre erstmalige Ausstattung mit einem Unternehmen und Aufnahme eines Geschäftsbereichs "wirtschaftlich eine Neugründung" darstelle; daher habe der Geschäftsführer gem. § 8 Abs. 2 GmbHG jedenfalls zu versichern, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 GmbHG bezeichneten Leistungen bewirkt sind und der Gegenstand der Leistungen sich weiterhin in seiner freien Verfügung befindet. Gleiches gilt für die Mantel-GmbH. Beim Mantelkauf schlüpft ein neues Unternehmen in die juristische "Hülle" einer bereits bestehenden GmbH: Die Gesellschafter kaufen/gründen keine neue GmbH, sondern erwerben Geschäftsanteile einer existierenden, geschäftlich nicht oder kaum noch aktiven GmbH (häufig mit steuerlichen Verlustvorträgen).
Verkäufer von Vorrats- und Mantel-GmbHs werden dafür sorgen, die Alt-Geschäftsführer zu entlasten und dem Handelsregister eine neue inländische Geschäftsanschrift mitteilen zu lassen.
Der BGH verlangt bei der Aktivierung einer Mantel- oder Vorrats-GmbH, dass die registerliche Kontrolle nach denselben Maßstäben stattfinden müsse wie bei Neugründungen. Die sog. wirtschaftliche Neugründung sei dem Handelsregister offenzulegen. Das solle der Erkennbarkeit solcher "Gründungen" Rechnung tragen. Die Versicherung in § 8 Abs. 2 GmbHG habe sich nicht auf das gesetzliche Mindestkapital, sondern auf das satzungsmäßige Stammkapital zu beziehen. Der BGH wendet zudem seit BGHZ 155, 318 die Handelnden- und Unterbilanzhaftung an: Die Kapitalaufbringung sei auch durch die Unterbilanzhaftung sicherzustellen. Deren maßgebender Stichtag sei die Offenlegung gegenüber dem Handelsregister; darüber hinaus komme auch eine Handelndenhaftung analog § 11 Abs. 2 GmbHG in Betracht, wenn vor Offenlegung der "wirtschaftlichen Neugründung" die GmbH Geschäfte aufgenommen habe, ohne dass dem alle Gesellschafter zugestimmt hätten. Die BGH-Entscheidungen beendeten für die Praxis einen jahrelangen Streit. Sie haben berechtigte Kritik, aber auch Zustimmung erfahren. Die Rspr. ist auf die BGH-Linie eingeschwenkt. Kritik: Der BGH wertet mE zu gering, dass die Kapitalaufbringung schon geprüft werde unter Beachtung aller Gründungsvorschriften; das GmbHG sieht keine ständige Prüfung der Aufbringung vor, z.B. bei Gesellschafterwechsel oder Änderung des Unternehmensgegenstandes. Allerdings sind die praktischen Auswirkungen der Rspr. nicht allzu dramatisch: Man muss nur sicherstellen, dass bei der Aktivierung der Vorrats- oder Mantel-GmbH das Stammkapital unversehrt vorhanden ist und dass die Geschäftsführer in der ersten Handelsregisteranmeldung folgenden Satz aufnehmen: "Wir versichern, dass die Bareinlage von … EUR bewirkt ist und sich weiterhin in unserer freien Verfügung befindet." Ggf. genügt auch eine Erklärung, dass "das satzungsmäßige Stammkapital im Anmeldezeitpunkt wertmäßig vorhanden ist und dass sich hiervon ein Viertel – mindestens aber 12.500 EUR – zur freien Verfügung der Geschäftsleitung befinden". Daher besteht kein Grund, auf Vorratsgesellschaften zu verzichten. Wird die Offenlegungspflicht verletzt, gehen auch Erwerber des Geschäftsanteils das Haftungsrisiko ein – angeblich unabhängig von ihrer Kenntnis von einer wirtschaftlichen Neugründung.
Eine Fülle von Zweifelsfragen liegt auf der Hand: (1) Wann ist eine "gebrauchte" GmbH ein Mantel im Sinne der Rspr.? Etwa schon dann, wenn eine "gebrauchte" GmbH im Konzern umgehängt wird und der Konzern in die Gesellschaft neues Geschäft einbringt? Nach dem BGH soll eine Mantelverwendung, auf die die Regeln der "wirtschaftlichen Neugründung" anwendbar sind, nur in Betracht kommen, wenn die Gesellschaft eine "leere Hülse" sei, d.h. kein aktives Unternehmen betreibe, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebs – sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung seines Tätigkeitsgebiets – "in irgendeiner wirtschaftlich oder gewichtbaren Weise anknüpfen" könne; eine solche "leere Hülse" liege dann nicht vor, wenn die Gesellschaft nach Gründung und Eintragung konkrete Aktivitäten zur Planung und Vorbereitung der Aufnahme ihrer nach außen gerichteten Geschäftstätigkei...