Rz. 133
Für die in der Unternehmenskrise begründeten Verbindlichkeiten der GmbH bestehen weitere Haftungsgründe, insb. bei Verstoß gegen die Pflicht des § 15a Abs. 1 S. 1 InsO, das Insolvenzverfahren rechtzeitig zu beantragen (vgl. Rdn 112) oder nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung (vgl. Rdn 113) keine Zahlungen mehr zu leisten (vgl. Rdn 126). § 15a Abs. 1 S. 1 InsO ist Schutzgesetz gem. § 823 Abs. 2 BGB (zur Antragspflicht der Gesellschafter in § 15a Abs. 3 InsO vgl. Rdn 341). Der BGH hat zur insolventen Genossenschaft die Einbeziehung ihrer Mitglieder in den Schutzzweck der Insolvenzverschleppungshaftung bejaht, wenn der Anspruch gegen die Genossenschaft nicht auf der Mitgliedschaft, sondern auf gesonderter Vereinbarung beruht, die das Mitglied wie ein außenstehender Dritte abgeschlossen hat. ME darf man hierbei nicht stehen bleiben; es ist nämlich kein tragfähiger Grund dafür ersichtlich, Gesellschafter, die von der Krise nichts wissen konnten, schlechter zu stellen als Außenstehende. Nicht Gesetz geworden ist eine 2020 im § 2 des RegE des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (STaRUG) für Geschäftsleiter einer juristischen Person ab drohender Zahlungsunfähigkeit (vgl. Rdn 113) vorgesehene Pflicht, die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren und bei Pflichtverletzung zu haften, es sei denn, dass sie vernünftigerweise davon ausgehen durften, auf der Grundlage angemessener Informationen die Interessen der Gläubiger zu wahren.
Die Neugläubiger, deren Verbindlichkeiten nach der Überschuldung/Zahlungsunfähigkeit begründet wurden, haben einen Anspruch auf Ersatz ihres vollen Schadens, nicht nur auf den sog. Quotenschaden; diesen können sie selbst geltend machen, nicht aber der Insolvenzverwalter. Diesen Ersatzanspruch mindern nicht Beträge, die der Neugläubiger während der Insolvenzverschleppung von der GmbH zur Begleichung von Altforderungen erhielt. Der Geschäftsführer haftet auf das negative Interesse; der Ersatzanspruch umfasst daher grundsätzlich z.B. den im Kaufpreis enthaltenen Gewinnanteil nur, wenn dem Gläubiger wegen des Vertragsschlusses mit der insolventen GmbH Gewinn entgangen ist, den er ohne diesen anderweitig hätte erzielen können. Die Verschleppungshaftung umfasst keine deliktischen und sonstigen gesetzlichen Ansprüche.
Die Altgläubiger können nur die Quotenverschlechterung ersetzt verlangen. Nach dem BGH kann diesen Anspruch vor Abschluss eines Insolvenzverfahrens nur der Insolvenzverwalter geltend machen; die Verjährung für die Gläubiger beginnt nicht vor Rechtskraft des Beschlusses zur Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens. Differenziert behandelt der BGH Altgläubiger, die der Gesellschaft in der Zeit der Verschleppung zusätzlich Kredit gewährt haben: Mit dem Betrag sind die Gläubiger insoweit "Neugläubiger"; sie haben daher einen unmittelbaren Ersatzanspruch gegen den pflichtwidrigen Geschäftsführer; dieser Anspruch ist nicht um die Insolvenzquote zu kürzen; vielmehr hat der Geschäftsführer entsprechend §§ 255, 273 f. BGB wie bei § 64 S. 1 GmbHG a.F./§ 15b Abs. 1 InsO n.F. Anspruch auf Abtretung der Insolvenzquote des Neugläubigers gegen die GmbH.
Die Rspr. gewährt den geschädigten Gläubigern Darlegungs- und Beweislasterleichterungen. Ihnen stehen – auch bei Abweisung der Verfahrenseröffnung – Einsichtsrechte in die Akten des Insolvenzverfahrens einschl. der des Verwalters zu. Es entlastet den Geschäftsführer angeblich nicht, wenn der Verwalter Anfechtungsrechte nach §§ 129 ff. InsO nicht rechtzeitig geltend macht. Ein durchschlagender Einwand kann aber sein, dass der Schaden auch bei rechtzeitiger Antragstellung eingetreten wäre; dann muss der Gläubiger den Beweis für seine Schädigung gerade aufgrund verspäteter Antragstellung konkret führen. Beteiligen sich Gesellschafter aktiv an der Verschleppung, kommt Haftung als Gehilfe, ausnahmsweise auch als Anstifter in Betracht. Nicht völlig geklärt sind Fragen der Verjährung.
Bei unentgeltlichen Leistungen der GmbH i.S.d. § 134 InsO bestehen häufig konkurrierende Haftungsansprüche gegen den Geschäftsführer.
Beim Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH in Eigenverwaltung haftet der Geschäftsführer den Beteiligten analog §§ 60, 61 InsO.