Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 945
Eine Rückzahlungsklausel in einem Studien- und Ausbildungsvertrag mit nachvertraglicher betrieblicher Bleibefrist stellt eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar, wenn der Arbeitgeber seinerseits keinerlei Verpflichtung eingeht, dem Arbeitnehmer die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung überhaupt zu ermöglichen. Enthält eine Rückzahlungsklausel keinerlei Angaben über den Inhalt, den Ort, den zeitlichen Umfang und die Vergütung der nach der Ausbildung geschuldeten arbeitsvertraglichen Tätigkeit, verstößt sie gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und ist damit unangemessen. Klauseln, die die Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten regeln, müssen Angaben zur etwaigen Größenordnung der auflaufenden Kosten enthalten, um dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zu genügen. Andernfalls ist die Klausel unwirksam (LAG Schleswig-Holstein v. 23.5.2007, NZA-RR 2007, 514; BAG v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07). Der AG muss bereits zu Beginn der vereinbarten Fortbildung den AN klar und verständlich auf alle Folgen hinweisen, die sich für ihn aus dem Abschluss einer Rückzahlungsvereinbarung ergeben. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Vertragsbestimmung so genau beschrieben werden, dass für den AG als Verwender der Klausel keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Das bedeutet, die Voraussetzungen und der Umfang der Leistungspflicht müssen so bestimmt oder bestimmbar sein, dass der Vertragspartner des Verwenders bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, was gegebenenfalls auf "ihn zukommen kann".
Rz. 946
Eine vom Arbeitgeber in einem Formulararbeitsvertrag verwendete Klausel, nach welcher der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber getragene Ausbildungskosten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne jede Rücksicht auf den Beendigungsgrund zurückzahlen muss, ist unwirksam. Sie benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen (BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042). Gleichfalls ist die Vereinbarung in einem Formulararbeitsvertrag nach welcher ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber übernommene Kosten für ein Fachhochschulstudium in jedem Fall, auch anteilig, zurückzahlen muss, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Frist endet, zu weit gefasst. Sie ist unwirksam, weil die Rückzahlungspflicht ohne Rücksicht auf den jeweiligen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgelöst werden soll (BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06). Auch ist eine Klausel, die den ratierlichen Abbau eines Studiendarlehens für jeden Monat der späteren Tätigkeit vorsieht, unwirksam nach § 307 Abs. 1 BGB (BAG v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, NZA 2008, 1004). Eine Klausel in AGB, die die Rückzahlung von Fortbildungskosten bei einer vom Arbeitnehmers ausgesprochenen Kündigung in jedem Fall vorsieht, ohne solche Kündigungen des AN auszunehmen, die aus Gründen erfolgen, die der Sphäre des AG zuzurechnen sind, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam (BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12; BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12).
Rz. 947
Eine vom Arbeitgeber vorformulierte Rückzahlungsklausel, die den Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber unter vertraglich näher festgelegten Voraussetzungen die finanziellen Aufwendungen zu erstatten, die der Arbeitgeber für eine berufliche Fortbildung des Arbeitnehmers erbracht hat, unterliegt der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB.
Rz. 948
Einzelvertragliche Abreden, die die Rückzahlung von Ausbildungskosten im Fall einer Arbeitgeberkündigung innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist vorsehen, sind nur rechtswirksam, wenn der Arbeitnehmer die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verantworten hat. Dies ist allein bei verhaltensbedingten Kündigungsgründen der Fall (LAG Düsseldorf v. 8.5.2003 – 11 Sa 1584/02).
Rz. 949
Eine Bindung des Arbeitnehmers für die Dauer von drei Jahren benachteiligt ihn nicht unangemessen, wenn sich die Fortbildung über mehr als sechs Monate erstreckt, er in dieser Zeit bezahlt freigestellt ist und der Arbeitgeber neben den Unterrichts- und Prüfungsgebühren die Kosten für die auswärtige Unterbringung und die wöchentlichen Heimfahrten übernimmt (BAG v. 5.6.2007, NZA-RR 2008, 107). Erstreckt sich die Ausbildung zur examinierten Altenpflegerin über drei Jahre, in denen ca. 25 % der gesamten Arbeitszeit für Schulungsmaßnahmen verwendet wird und der Arbeitgeber die Vergütung weiterzahlt, kann die lange Ausbildungsdauer unter diesen Umständen eine Bindungsdauer von zwei Jahren rechtfertigen. Die Arbeitnehmerin hat durch die Ausbildung zur Altenpflegerin einen geldwerten Vorteil erlangt. Die Berufsfreiheit der Arbeitnehmerin wird aufgrund einer vereinbarten zweijährigen Bindungsfrist nicht unverhältnismäßig beschränkt (BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542). Die Vorteile der Ausbildung und die Dauer der Bindung des Arbeitnehmers an das Unternehmen durch die Rückzahlungsklausel müssen in ...