Rz. 148
Ist die Ehe nicht geschieden, aber ein Scheidungsverfahren anhängig bzw. eine rechtskräftige Trennung der Eheleute von Tisch und Bett ausgesprochen worden, ergeben sich Widersprüche, wenn Ehewirkungs- und Erbstatut nicht zusammenpassen:
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So entfällt nach deutschem Erbrecht nicht das Pflichtteilsrecht von Eheleuten, die nach dem für ihre Ehe geltenden ausländischen Recht wirksam von Tisch und Bett getrennt sind, auch wenn nach dem für die Ehewirkungen geltenden Recht eigentlich ein gegenseitiges Ehegattenerbrecht hierdurch bereits beendet wurde. |
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Nach einigen Rechtsordnungen lässt schon die tatsächliche Trennung der Eheleute das gegenseitige Erbrecht entfallen (z.B. Ungarn, Slowenien etc.). |
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Einige Rechtsordnungen schließen das Erbrecht des Ehegatten aus, wenn der Erblasser Scheidungsklage erhoben hat und der Überlebende als schuldiger Ehegatte anzusehen wäre. Bei deutschem Scheidungsstatut kann aber kein Verschulden festgestellt werden. |
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Manche Rechte (z.B. das japanische Erbrecht) regeln die Auswirkungen des Scheidungsverfahrens auf das Ehegattenerbrecht nur deswegen nicht, weil dort die Scheidung regelmäßig in Windeseile durch Registrierung beim Standesamt erfolgt. Was aber passiert, wenn die Ehe von einem deutschen Gericht geschieden wird und sich das Verfahren über Jahre dahinstreckt? |
Rz. 149
Diese Widersprüche führen teilweise dazu, dass die Anwendung der entsprechenden Bestimmungen des ausländischen Rechts nicht gelingt, weil das deutsche Gericht keine Feststellungen zum Verschulden der Eheleute trifft. Bei Geltung unterschiedlicher Erbstatute kommt es zu Disparitäten, wenn die Einleitung des Scheidungsverfahrens im Fall einer deutsch-japanischen Ehe das Erbrecht des japanischen Ehemannes nach seiner deutschen Ehefrau beendet, Letztere aber nach japanischem Erbrecht weiterhin pflichtteilsberechtigt wäre; oder die Trennung von Tisch und Bett nur den Pflichtteil der deutschen Witwe gegen ihren vorverstorbenen italienischen Ehemann beseitigt, der Ehegatte aber bei ihrem Tod weiterhin den Ehegattenpflichtteil nach deutschem Recht geltend machen könnte.
Rz. 150
Die Literatur möchte im Wege der Substitution den scheidungsrechtlichen Tatbestand unter die entsprechend flexibel ausgelegten Bestimmungen des Erbstatuts subsumieren. Damit lassen sich bei der Geltung deutschen Erb- und polnischen Scheidungsstatuts technische Rechtsanwendungsprobleme lösen, nicht aber die Ungleichbehandlungen in den übrigen Fällen beseitigen. Diese resultieren nämlich zum Teil einfach daraus, dass dem Erbstatut die Trennung von Tisch und Bett nicht bekannt ist.
Rz. 151
Qualifiziert man dagegen von vornherein den Ausschluss von Erb- und Pflichtteilsrechten aufgrund gerichtlicher Trennung und Scheidung nicht erbrechtlich, sondern scheidungsrechtlich, werden Rechtsanwendungsschwierigkeiten und Wertungswidersprüche vermieden. Die erbrechtlichen Folgen ergäben sich für beide Eheleute aus demselben Recht, nämlich dem Scheidungs- bzw. Trennungsstatut. Damit wäre die Gleichheit gewährleistet. Da mittlerweile die Auslegung aber das Verhältnis zweier europäischer Verordnungen zueinander betrifft (EuErbVO und Rom III-VO), wäre eine derartige Auslegung durch den EuGH zu billigen.