Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
A. Mahnverfahren
I. Grundsätzliches zum automatisierten Mahnverfahren
Rz. 1
Wird eine Zahlung von einer bestimmten Geldsumme in EUR begehrt, bietet sich zur Geltendmachung dieses Anspruchs die Durchführung des automatisierten Mahnverfahrens an, welches in den §§ 688–703d ZPO geregelt ist. Wird ein Mahnbescheid durch einen Rechtsanwalt beantragt, so kann der Antrag seit dem 1.12.2008 nur noch in "maschinell lesbarer Form" gestellt werden. Die Verwendung von im Handel erhältlichen Mahnbescheidformularen ist daher bereits seit 1.12.2008 für Anwälte nicht mehr zulässig. Da zum damaligen Zeitpunkt bundesweit jährlich über 8 Mio. Mahnanträge gestellt wurden, kam die Notwendigkeit auf, diese maschinell bearbeiten zu können. Änderungen im Bereich des Mahnverfahrens erfolgten darüber hinaus zum 1.1.2018. Der Gesetzgeber regelte zum 1.1.2018, dass Naturparteien das Online-Mahnverfahren nutzen können, indem § 702 Abs. 2 ZPO zu diesem Zeitpunkt neu eingefügt und § 690 Abs. 3 ZPO aufgehoben wurde. Anwälte und registrierte Personen nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG sind seit 1.1.2018 verpflichtet, neben dem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids auch andere Anträge (z.B. auf Neuzustellung eines Mahnbescheids) sowie Erklärungen, soweit entsprechende Formulare eingeführt sind, in maschinenlesbarer Form einzureichen (Ausnahme bis 1.1.2020: Widerspruch; ab 1.1.2020 wurde die maschinenlesbare Form Pflicht für "Profieinreicher").
Rz. 2
§ 702 Abs. 2 S. 2 ZPO regelt somit, dass für Anträge und Erklärungen, für die maschinell bearbeitbare Formulare gem. § 703c Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO eingeführt sind, die von einem Rechtsanwalt oder einer registrierten Person nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG, einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse übermittelt wird, nur die maschinell lesbare und maschinell bearbeitbare Form der Übermittlung zulässig ist. Ergänzend ist zu beachten, dass § 130d ZPO seit 1.1.2022 bestimmt, dass u.a. Anwälte gem. § 130d ZPO Anträge und Erklärungen zwingend elektronisch einzureichen haben. Somit scheidet für Rechtsanwälte seit dem 1.1.2022 die Möglichkeit, einen Mahnantrag via sog. Barcodeverfahren zu übermitteln, aus. Die Übermittlung via Barcodeantrag ist gem. § 130d S. 2 ZPO lediglich dann zulässig, wenn die elektronische Einreichung vorübergehend technisch nicht möglich ist. Auf die umfangreichen Ausführungen zu § 130d ZPO in § 3 Rn 76 ff. wird zur Vermeidung von Wiederholungen ausdrücklich verwiesen; siehe hierzu aber auch ergänzend Rdn 14. Antragsteller oder Antragsgegner, die sich ohne anwaltlichen Beistand im Mahnverfahren selbst vertreten, können weiterhin mit den eingeführten amtlichen Vordrucken in Papierform arbeiten.
II. Das arbeitsgerichtliche Mahnverfahren
Rz. 3
Gem. § 46a Abs. 1 S. 1 ArbGG gelten für das Mahnverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen die Vorschriften der ZPO über das Mahnverfahren einschließlich der maschinellen Bearbeitung entsprechend, soweit das ArbGG nichts anderes bestimmt; § 702 Abs. 2 S. 2 ZPO ist dabei jedoch nicht anzuwenden. Arbeitsgerichte können zurzeit Mahnanträge in maschinell lesbarer Form nicht bearbeiten, weshalb hier auf die "herkömmliche Einreichung" ausgewichen werden muss. Seit 1.5.2015 existieren eigene arbeitsgerichtliche Mahnverfahrens-Vordrucke (2. AGMahnVordrVÄndV). Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber hier übersehen hat, diese Vorschriften an den seit 1.1.2022 in Kraft getretenen § 46g ArbGG anzupassen, der Anwälte verpflichtet, schriftlich einzureichende Anträge als elektronisches Dokument zu übermitteln. Das Land Schleswig-Holstein hatte die Pflicht zur elektronischen Einreichung und damit das Inkrafttreten des § 46g ArbGG bereits auf den 1.1.2020 vorgezogen und für diese Problematik den Nutzern ein entsprechendes PDF-Formular zur Verfügung gestellt.
Rz. 4
Das arbeitsrechtliche Mahnverfahren spielt in der arbeitsgerichtlichen Praxis kaum eine Rolle. Zwar könnte z.B. anstelle einer Lohnklage eben auch der Anspruch über ein arbeitsgerichtliches Mahnverfahren geltend gemacht werden, es wird aber teilweise von den Gerichten selbst als kompliziertes Verfahren beschrieben, das selten schneller als eine Lohnklage ist. Hier wird zum Teil auch darauf hingewiesen, dass bei einem verzögerten arbeitsgerichtlichen Mahnverfahren mit nicht kurzfristiger Zustellung des Mahnbescheids Ausschlussfristen, wie z.B. in allgemein verbindlichen Tarifverträgen geregelt, nicht eingehalten werden können und der Lohnzahlungsanspruch dann verfällt (Ausnahme: Mindestlohn, der durch Ausschlussfristen nicht verfallen kann). So wird denn auch zudem darauf hingewiesen, dass in Ausnahmefällen, wenn z.B. keine Ausschlussfristen gegeben sind, das Mahnverfahren vor dem Arbeitsgericht Sinn machen kann, allerdings...