Dr. Fabian Friz, Dr. Konrad Grünwald
Rz. 48
§ 13a Abs. 6 ErbStG enthält Nachsteuerbestimmungen. Diese wirken auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung zurück, mit der Rechtsfolge, dass der Nachfolger verschuldensunabhängig mit seinem gesamten Privatvermögen für wirtschaftliche Entwicklungen und deren Nachsteuerfolgen haftet. So löst bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft in der Nachsteuerfrist die Nachsteuer aus, unabhängig davon, ob dem Nachfolger ein unternehmerischer oder sonstiger Fehler vorgeworfen werden kann. Bei der Personengesellschaft genügt die Insolvenzeröffnung allein zwar nicht für einen Behaltensfristverstoß; wird aber innerhalb der Nachfrist durch den Insolvenzverwalter der Betrieb eingestellt oder werden wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert, wird die Nachsteuer ausgelöst. Diesem Risiko zu entgehen, setzt umfangreiche vorbereitende Strukturmaßnahmen voraus, die auch ihrerseits andere steuerliche Nachteile auslösen können.
Rz. 49
Die Nachsteuerbestimmungen sind keine reinen Missbrauchsverhinderungsvorschriften, sondern haben zunächst die Funktion, die Nachhaltigkeit des Begünstigungsgrundes, nämlich die Nachhaltigkeit der erhöhten Sozialgebundenheit des erworbenen Vermögens in der Person des Erwerbers zur Begünstigungsvoraussetzung zu machen. Da die Aufrechterhaltung der Sozialgebundenheit in der Person des Erwerbers in aller Regel zu dessen Disposition steht, muss es in der Sache darum gehen, typische Sachverhalte zu definieren, in denen sich der Erwerber innerhalb der Behaltefrist in einer Weise der erhöhten Sozialgebundenheit entzieht, die den Begünstigungsgrund entfallen lässt. Der typische Fall eines derartigen Vorgangs ist der Fall der entgeltlichen Veräußerung des erworbenen Vermögens und die damit verbundene Umschichtung sozial gebundenen Vermögens in ungebundenes Vermögen. Demgegenüber kann eine unentgeltliche Übertragung schon deshalb nicht zwingend eine Nachbesteuerung auslösen, weil sie dem Grunde nach ja selbst vom Gesetz als begünstigter Erwerbsvorgang qualifiziert wird. Problematisch sind Fälle an der Nahtstelle zwischen Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit. Nach R E 13a.12 Abs. 3 ErbStR 2019 soll ein Verstoß gegen die Behaltensregelung vorliegen, wenn begünstigtes Vermögen als Abfindung nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG übertragen wird oder zur Erfüllung anderer schuldrechtlicher Ansprüche wie z.B. Geldvermächtnis oder Pflichtteilsanspruch hingegeben wird. Während der zweite Fall unstreitig sein dürfte und inzwischen auch höchstrichterlich entschieden ist, sind im ersten Fall Zweifel angebracht. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG fingiert eine unentgeltliche Rechtsnachfolge nach dem Erblasser – nicht nach dem Erben –, sodass nach dem Gesetz die Vergünstigung zu gewähren ist. Damit ist es unvereinbar, die Abfindungsleistung als schädliche Verfügung i.S.d. § 13a Abs. 6 ErbStG zu qualifizieren, weil diese eine Verfügung des Ersterwerbers unter Lebenden impliziert. Stimmig wäre es, die Regelung über den Begünstigungstransfer (§ 13a Abs. 5 Satz 1 ErbStG) entsprechend anzuwenden. In diesem Zusammenhang sind allerdings die ertragsteuerlichen Konsequenzen zu beachten: Denn selbst wenn für die Übertragung von begünstigtem Vermögen als Abfindung die Anwendung der §§ 13a, 13b ErbStG gewährt wird, ändert dies nichts daran, dass der Pflichtteilsanspruch nach § 2317 BGB ein Geldanspruch und die Erfüllung dieses Geldanspruches durch die Übertragung von begünstigtem Vermögen eine Leistung an Erfüllungs statt und damit ein entgeltliches Rechtsgeschäft ist, sodass eine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG nicht in Betracht kommt.
Rz. 50
Nach der Reinvestitionsklausel des § 13a Abs. 6 Satz 3 ErbStG muss der Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten in begünstigtes Vermögen gem. § 13b Abs. 2 ErbStG investiert werden, um eine Nachversteuerung zu vermeiden. Für die Fristberechnung soll nach Ansicht der Finanzverwaltung auf das obligatorische Rechtsgeschäft und nicht auf die Wirksamkeit der Veräußerung abzustellen sein. Im Hinblick auf die Poolvereinbarung bei Kapitalanteilen von weniger als 25 % nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG wird nach § 13a Abs. 6 Nr. 5 ErbStG eine Nachversteuerung ausgelöst, wenn die Verfügungsbeschränkung oder die Stimmrechtsbündelung aufgehoben wird. Der spätere erneute Abschluss einer Poolvereinbarung ändert an der Nachversteuerung nichts.
Die Reinvestitionsklausel wird durch die Investitionsklausel (§ 13b Abs. 5 ErbStG) flankiert. Hat der Erblasser "im Zeitpunkt seines Todes" den "Plan vorgefasst", Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13 Abs. 4 Nr. 1 bis 5 ErbStG in begünstigungsfähiges Vermögen (§ 13b Abs. 1 ErbStG) zu investieren, wo es unmittelbar einer Tätigkeit i.S.v. § i.S.v. §§ 13 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG dient, und der Erwerber des begünstigten Vermögens von Todes wegen setzt diesen vorgefassten Plan innerhalb von zwei Jahren um, so entfällt für das investierte Verwaltungsvermögen, sofern...