Dr. iur. Matthias Franzke
Rz. 10
Ziffer 5.1. und 5.2. AUB 2014 beinhalten in erheblichem Umfang Risikoausschlüsse, wobei zwischen ausgeschlossenen Unfällen und ausgeschlossenen Gesundheitsschäden differenziert wird.
Von besonderer Praxisrelevanz im Kontext mit Straßenverkehrsunfällen ist der Ausschlusstatbestand für Unfälle der versicherten Person durch Bewusstseinsstörungen sowie durch Schlaganfälle, epileptische Anfälle oder andere Krampfanfälle, die den ganzen Körper der versicherten Person ergreifen (5.1.1. AUB 2014). Völlige Bewusstlosigkeit ist nicht erforderlich. Nach der bedingungsgemäßen Definition liegt eine Bewusstseinsstörung vor, wenn die versicherte Person in ihrer Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit so beeinträchtigt ist, dass sie den Anforderungen der konkreten Gefahrenlage nicht mehr gewachsen ist. Ob eine Bewusstseinsstörung anzunehmen ist, hängt sowohl vom Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigung, der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit als auch von der konkreten Gefahrenlage ab, in der sich der Versicherte befindet. Das macht, worauf der BGH zutreffend hinweist, eine fallbezogene Betrachtung erforderlich.
Rz. 11
Der Anwalt des Unfallopfers muss daher bei entsprechendem Einwand des Versicherers genau prüfen, ob sich aus dem Verhalten seines Mandanten vor dem Unfall, seiner allgemeinen konstitutionellen Veranlagung und aus den technischen Anknüpfungstatsachen zum Unfallhergang Umstände ergeben, die gegen eine Bewusstseinsstörung sprechen. Lässt sich nicht ausschließen, dass die Fahrweise der versicherten Person und der nachfolgende Unfall auf eine natürliche Übermüdung – trotz Vorliegen einer schweren chronischen Herzerkrankung und möglicher Schlafapnoe – zurückzuführen ist, greift der Ausschlusstatbestand nicht.
Rz. 12
Als Ursache für eine Bewusstseinsstörung wird in Ziffer 5.1.1 AUB 2014 neben der gesundheitlichen Beeinträchtigung auch der Alkoholkonsum genannt. Die Rechtsprechung greift auf die für den strafrechtlichen Bereich zur alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit entwickelten Grundsätze zurück. Bei festgestellter absoluter Fahruntüchtigkeit – BAK von mindestens 1,1 Promille – ist grundsätzlich eine Bewusstseinsstörung gegeben. Zwischen 0,3 und 1,1 Promille kommt demgegenüber eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung nur in Betracht, wenn typische Ausfallerscheinungen und Fahrfehler nachgewiesen sind, die den Rückschluss auf eine bedingungsgemäße Herabsetzung der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit des Versicherten zulassen.
Zur Feststellung einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung bei Unfällen im Straßenverkehr muss bei einem Fußgänger eine erheblich höhere Blutalkoholkonzentration nachgewiesen werden als bei einem Kraftfahrer. Ab 2,00 Promille kann zumindest tendenziell von einer Bewusstseinsstörung ausgegangen werden. Entscheidend sind jedoch die Umstände des Einzelfalls.
Rz. 13
Nach Ziffer 5.1.2 AUB 2014 sind vom Versicherungsschutz ebenfalls solche Unfälle ausgeschlossen, die der versicherten Person dadurch zustoßen, dass sie vorsätzlich eine Straftat ausführt oder versucht. Zu denken ist an sämtliche Straftaten, die im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr verübt werden. Bereits das Fahren ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StVG kann zu einem Leistungsausschluss führen, sofern dem Versicherer der Vorsatznachweis gelingt. Eine vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB führt dann zur Leistungsfreiheit, wenn sich der Vorsatz des VN auch auf die grob verkehrswidrige und rücksichtslose Begehung des Verkehrsverstoßes bezieht.
Rz. 14
Einen äußerst wichtigen Ausschlusstatbestand enthält Ziffer 5.2.6 AUB 2014. Danach entfällt der Versicherungsschutz bei krankhaften Störungen infolge psychischer Reaktionen, auch wenn diese durch einen Unfall verursacht wurden (sog. Psycho-Klausel). Als Beispiel nennt die vorgenannte Klausel die Posttraumatische Belastungsstörung nach Beinbruch durch einen Verkehrsunfall. Der Zweck der Klausel besteht darin, die im Haftungsrecht entwickelten Grundsätze, wonach der Schädiger für die Folgen einer unfallbedingten psychischen Fehlverarbeitung einzustehen hat, für den Bereich der privaten Unfallversicherung auszuschließen. Ausgeschlossen sind daher alle Gesundheitsschäden, die erst durch eine krankhafte psychische Reaktion – insbesondere durch Fehlverarbeitung – auf erlittene Verletzungen oder auf dem Unfallhergang selbst beruhen. Erleidet die versicherte Person allerdings eine Hirnverletzung, die zu einer krankhaften Veränderung der Psyche führt, findet die Ausschlussklausel keine Anwendung.