I. Überblick
Rz. 1
Rechtsbeschwerden sind im RVG an verschiedenen Stellen geregelt. Soweit keine vorrangigen Sonderregelungen greifen, gelten die Gebühren nach Teil 3 Abschnitt 5 VV, und zwar die Nrn. 3502, 3503, 3516 VV. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist zuletzt durch das FGG-ReformG geändert worden. Während Nr. 3502 VV zunächst ausdrücklich nur für die Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO galt und später auch auf die Rechtsbeschwerde nach § 78 S. 2 des ArbGG erweitert wurde, gilt sie jetzt für alle Rechtsbeschwerden in Verfahren nach Teil 3 VV, soweit nicht die besonderen Regelungen der Vorbem. 3.2.1 Nr. 2 oder 3.2.2 Nr. 1 u. 2 VV vorgehen (Vorbem. 3.5 VV). Zur Vergütung in diesen Verfahren wird auf die Darstellung des jeweiligen Sachgebiets verwiesen.
Rz. 2
Nr. 3502 VV gilt ferner nicht für Rechtsbeschwerden außerhalb von Teil 3 VV, also
▪ |
in schiedsrichterlichen Verfahren (§ 1065 ZPO); es gelten die Nrn. 3100 ff. VV (Vorbem. 3.1 Abs. 2 VV). |
▪ |
in Bußgeldsachen (§ 72 OWiG); es gilt Nr. 5113 VV (siehe hierzu § 36 Rdn 174 ff.). |
▪ |
in Freiheitsentziehungsverfahren (§§ 415 ff. FamFG); es gelten die Nrn. 6300 ff. VV. |
▪ |
in Unterbringungssachen (§§ 312 ff. FamFG); es gelten die Nrn. 6300 ff. VV. |
▪ |
bei Unterbringungsmaßnahmen nach § 151 Nr. 6 u. 7 FamFG; es gelten die Nrn. 6300 ff. VV. |
Rz. 3
Nr. 3502 VV gilt ebenfalls nicht für Verfahren über eine weitere Beschwerde, wie sie noch vereinzelt vorgesehen ist (so. z.B. im GKG, GNotKG oder RVG).
II. Rechtsbeschwerde nach Teil 3 Abschnitt 5 VV
1. Umfang der Angelegenheit
Rz. 4
Das Verfahren über die in Teil 3 Abschnitt 5 VV geregelten Rechtsbeschwerden ist nach § 17 Nr. 1 RVG eine eigene Gebührenangelegenheit.
Rz. 5
Mehrere Rechtsbeschwerden sind jeweils gesonderte Angelegenheiten (§ 15 Abs. 2 RVG). Das gilt auch dann, wenn aufgrund einer ersten Rechtsbeschwerde die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben wird, und gegen die neue Entscheidung erneut Rechtsbeschwerde eingelegt wird.
Rz. 6
Die Gebühren richten sich nach den Nrn. 3502, 3503, 3516 VV.
Rz. 7
Hinzu kommen wiederum Auslagen nach Teil 7 VV, insbesondere also auch eine eigene Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV.
2. Gegenstandswert
Rz. 8
Da im Verfahren über die Rechtsbeschwerde keine wertabhängigen Gerichtsgebühren erhoben werden, sondern Festgebühren, darf von Amts wegen kein Wert festgesetzt werden, was allerdings häufig dennoch geschieht. Da sich aber die Gebühren des Anwalts nach dem Wert richten (§ 2 Abs. 1 RVG), muss das Rechtsbeschwerdegericht auf Antrag des Anwalts oder eines Beteiligten nach § 33 Abs. 1 RVG eine Wertfestsetzung vornehmen.
Rz. 9
Der Wert richtet sich nach § 23 Abs. 2 RVG und ist unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG zu bestimmen, soweit das RVG keine vorrangigen Regelungen enthält wie z.B. § 23a RVG. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist durch den Wert des zugrunde liegenden Verfahrens begrenzt (§ 23 Abs. 2 S. 2 RVG).
3. Verfahrensgebühr
Rz. 10
Der Anwalt erhält für das Betreiben des Geschäfts (Vorbem. 3 Abs. 2 VV) nach Nr. 3502 VV zunächst eine Verfahrensgebühr in Höhe von 1,0.
Beispiel 1: Rechtsbeschwerde
Der Anwalt wird im Kostenfestsetzungsverfahren beauftragt, gegen die Beschwerdeentscheidung des LG, mit der Kosten für ein vorgerichtliches Gutachten in Höhe von 3.000,00 EUR abgesetzt worden sind, Rechtsbeschwerde einzulegen.
Es entsteht nur eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3502 VV.
1. |
1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 3502 VV |
|
222,00 EUR |
|
(Wert: 3.000,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
242,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
45,98 EUR |
Gesamt |
|
287,98 EUR |
Rz. 11
Bei vorzeitiger Beendigung des Auftrags ermäßigt sich die Gebühr der Nr. 3502 VV auf eine 0,5-Gebühr (Nr. 3503 VV). Die Anm. zu Nr. 3201 VV gilt entsprechend (Anm. zu Nr. 3503 VV).
Beispiel 2: Rechtsbeschwerde, vorzeitige Erledigung
Das LG lässt die Rechtsbeschwerde gegen einen Streitwertbeschluss zu (Beschwer: 1.860,00 EUR). Der BGH-Anwalt erhält den Auftrag, diese einzulegen, rät hiervon jedoch ab, da die Rechtsbeschwerde nicht statthaft ist.
Da der Anwalt den Auftrag zur Rechtsbeschwerde hatte und nicht etwa nur einen Prüfungsauftrag nach Nr. 2100 VV, richtet sich die Vergütung nach Nr. 3502 VV, allerdings reduziert nach Nr. 3503 VV auf einen Gebührensatz von 0,5, da es zur Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht mehr gekommen ist.
1. |
0,5-Verfahrensgebühr, Nrn. 3502, 3503 VV |
|
83,00 EUR |
|
(Wert: 1.860,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
16,60 EUR |
|
Zwischensumme |
99,60 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
18,92 EUR |
Gesamt |
|
118,52 EUR |
Rz. 12
Sofern der Anwalt für mehrere Auftraggeber wegen desselben Gegenstands tätig wird, erhöht sich die jeweilige Verfahrensgebühr um 0,3 je weiteren Auftraggeber (Nr. 1008 VV), höchstens um 2,0.
Beispiel...