Dr. Martin Feick, Lisa Hammes
Rz. 113
Wenn ein Übergeber einem seiner Kinder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge oder durch sonstige Schenkung lebzeitig Vermögenswerte zuwendet und seine Vermögensnachfolge von Todes wegen entweder gar nicht oder durch ein Testament regelt, das mit der gesetzlichen Erbfolge im Wesentlichen im Gleichklang steht, ist zu beachten, dass bei der Miterbenauseinandersetzung gemäß der §§ 2050 ff. BGB die lebzeitigen Zuwendungen des Übergebers mit auszugleichen sind. Die §§ 2050 ff. BGB versuchen dem Grundsatz, dass die Abkömmlinge zu gleichen Teilen erben sollen, dadurch größere Geltung zu verschaffen, dass bestimmte lebzeitige Zuwendungen des Übergebers an seine Kinder in der Auseinandersetzung Berücksichtigung finden. Ausgleichsberechtigt nach §§ 2050 ff. BGB sind lediglich die Abkömmlinge des Übergebers, nicht aber sein Ehepartner.
Rz. 114
Wichtigste Vorschrift in diesem Zusammenhang ist § 2050 BGB: Diese Norm ordnet bei drei verschiedenen Arten von Zuwendungen Ausgleichspflichten unter den Abkömmlingen an, nämlich bei
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Ausstattungen, |
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Zuschüssen, die als Einkünfte dienen, und |
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Aufwendungen für die Berufsbildung. |
Rz. 115
Diese Ausgleichspflichten sind aber nicht zwingend. Der Übergeber kann anordnen, dass die Zuwendungen nicht ausgleichspflichtig sind. Hierbei ist wichtig, dass diese Anordnung vor oder spätestens bei Vornahme der Zuwendung erfolgen muss. Nach erfolgter Zuwendung kann die Anrechnung nicht mehr einseitig durch Rechtsgeschäft unter Lebenden angeordnet werden. Umgekehrt bestehen für die in § 2050 Abs. 1 und 2 BGB nicht genannten Arten von Zuwendungen nur dann Ausgleichspflichten, wenn der Übergeber dies vor oder bei der Zuwendung angeordnet hat.
Rz. 116
Will der Übergeber, dass an einen Abkömmling eine erfolgte Zuwendung, die nicht unter § 2050 Abs. 1 oder 2 BGB fällt, ausgeglichen wird, obgleich er bei der Zuwendung die Ausgleichung nicht angeordnet hatte, oder will er umgekehrt, dass eine Zuwendung, die gemäß § 2050 Abs. 1 oder 2 BGB auszugleichen ist, nicht ausgeglichen wird, obwohl er bei der Zuwendung die Ausgleichung nicht ausgeschlossen hat, kann dies der Übergeber – abgesehen von der bereits erwähnten Vereinbarung mit dem betroffenen Abkömmling – nur durch entsprechende letztwillige Verfügung erreichen: Er muss dazu den Kindern entsprechend höhere oder niedrigere Erbquoten zuweisen, denn dann gelten die §§ 2050 ff. BGB nicht (vgl. § 2052 BGB), oder er muss versuchen, durch die Zuwendung von Vorausvermächtnissen eine Ausgleichung zu erreichen. Trotz früherer Bestrebungen wurde bisher keine dahingehende Änderung durchgeführt, dass auch bei unterlassener Anrechnungsklausel die Anrechnung im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen nachgeholt werden kann. Daher muss weiter der (umständlichere) Weg über eine Abänderung der Erbquoten oder der Anordnung entsprechender Vorausvermächtnisse gewählt werden. Eine Begrenzung dieser Gestaltungsmöglichkeiten bietet dabei der Pflichtteilsanspruch des Bedachten.