Dr. Martin Feick, Lisa Hammes
Rz. 8
Nießbrauchsgestaltungen haben zur Folge, dass das Vermögen und dessen Erträge – vorübergehend – unterschiedlichen Personen zugeordnet werden. Insb. deshalb bieten sich diese Gestaltungen für die Regelungen der vorweggenommenen Erbfolge an. Der Übergeber kann sich den Ertrag und i.d.R. auch die wirtschaftliche Verfügungsbefugnis über den zu übertragenden Gegenstand vorbehalten, während die Substanz – häufig aus steuerlichen Gründen – bereits auf die nächste oder gar übernächste Generation übertragen werden kann. So wirkt sich der Verlust des Eigentums oder der Inhaberschaft in der Regel bei dem Schenker nicht sichtbar aus und dennoch wurde bereits ein Schritt in Richtung vorzeitiger Regelung der Vermögens- oder Unternehmensnachfolge unternommen.
Rz. 9
Die Wirkungen des Nießbrauchs, die, wie eingangs bereits ausgeführt, den Vermögenswert und die Erträge verschiedenen Personen zuweisen, werfen zahlreiche zivilrechtliche und steuerliche Probleme auf.
1. Zivilrechtliche Grundlagen
a) Allgemeines
Rz. 10
Der Nießbrauch ist in den §§ 1030–1089 BGB gesetzlich geregelt. I.R.d. vorweggenommenen Erbfolge ist insb. der Nießbrauch an beweglichen und unbeweglichen Sachen, z.B. Grundstücken (§§ 1030–1067 BGB) sowie der Nießbrauch an Rechten, z.B. Aktien, GmbH-Anteilen, Anteilen an Personengesellschaften (§§ 1068–1084 BGB) von Bedeutung.
Rz. 11
Der Nießbrauch ist ein dingliches Recht, das dem Berechtigten die umfassende Nutzung des belasteten Gegenstandes gestattet, ohne dass er über dessen Substanz verfügen kann. Als Sicherungsrecht für den Übergeber ist der dingliche Charakter wichtig, da der Nießbrauch durch einseitige Rechtshandlungen des Übernehmers als Inhaber des belasteten Gegenstandes oder durch sonstige Dritte nicht beeinträchtigt wird.
b) Verteilung der Lasten und Kosten
Rz. 12
Die Trennung der Vermögenssubstanz vom Ertrag des Vermögensgegenstandes bedingt, dass sich Übergeber und Übernehmer darüber im Klaren sein müssen, wer welche Kosten im Zusammenhang mit dem übertragenen Gegenstand trägt. Eine klare Regelung hierzu in dem Übergabevertrag ist zu empfehlen. Nach der gesetzlichen Regelung ist der Nießbraucher zur Versicherung der Sache auf seine Kosten (§ 1045 BGB) und zur Erhaltung der Sache in ihrem rechtlichen Bestand auf eigene Kosten (§ 1041 BGB), zur Tragung der öffentlichen Lasten – z.B. Grundsteuern – (§ 1047 BGB) verpflichtet, es sei denn, es handelt sich um außergewöhnliche, nicht laufend wiederkehrende Lasten (z.B. Erschließungsbeiträge). Bei der Übertragung von belasteten Grundstücken ist der Nießbraucher gemäß § 1047 BGB weiter verpflichtet, die Zinsen der Hypothekenforderungen und Grundschulden zu entrichten, während die Tilgungsbeträge vom Eigentümer aufzubringen sind.
Rz. 13
Die vorstehenden Kostentragungsregeln sind mit dinglicher (bei Grundstücken: Eintragung im Grundbuch erforderlich) oder schuldrechtlicher Wirkung abänderbar.
c) Entstehen des Nießbrauchs
Rz. 14
Die rechtsgeschäftliche Bestellung des Nießbrauchs in einem Übergabevertrag setzt voraus:
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bei Grundstücken Einigung und Eintragung des Nießbrauchs in das Grundbuch (§§ 873, 874, ggf. auch § 892 BGB); |
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bei beweglichen Sachen Einigung und Übergabe bzw. Übergabeersatz (§ 1032 BGB); |
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bei Rechten die Übertragungsform des betreffenden Rechts (§ 1069 BGB, z.B. notarielle Beurkundung bei Bestellung des Nießbrauchs an GmbH-Anteilen). |
d) Beendigung des Nießbrauchs
Rz. 15
Der Nießbrauch erlischt gemäß § 1061 BGB mit dem Tode des Nießbrauchers. Das Nießbrauchsrecht ist demnach nicht vererblich. Möchte ein Ehegatte, der einen in seinem Alleineigentum stehenden Gegenstand (z.B. Grundstück) auf eines seiner Kinder überträgt, dass der ihm vorbehaltene Nießbrauch nach seinem Tode dem überlebenden Ehegatten zusteht, kann dies dadurch erreicht werden, dass dem Ehegatten des Übergebers aufschiebend bedingt auf den Todeszeitpunkt des Übergebers bereits im Übergabevertrag ein eigenes Nießbrauchsrecht eingeräumt wird. Dieses aufschiebend bedingte Nießbrauchsrecht kann bereits zu Lebzeiten des Übergebers in das Grundbuch eingetragen werden.
e) Auswirkung auf Pflichtteilsergänzungsansprüche
Rz. 16
Zu beachten ist, dass ein zu Lebzeiten unter Nießbrauchsvorbehalt übertragener Vermögensgegenstand selbst dann im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gemäß § 2325 BGB bei der Berechnung des Pflichtteils eines enterbten Angehörigen zu berücksichtigen ist, wenn zwischen Übergabe und Erbfall mehr als zehn Jahre vergangen sind. Da der Erblasser den verschenkten Gegenstand bei einem vollständig vorbehaltenen Nießbrauch nur formal eigentumsrechtlich, nicht aber tatsächlich spürbar verliert, wird allgemein angenommen, dass hier noch keine Leistung i.S.d. § 2325 Abs. 3 BGB vorliegt. Sofern durch die lebzeitige Übergabe also auch Einfluss auf die Höhe der Pflichtteilsansprüche genommen werden soll oder bereits bekannt ist, dass Pflichtteilsansprüche im Erbfall drohen, ist auf diese Auswirkungen i...