Dr. Martin Feick, Lisa Hammes
1. Zivilrechtliche Grundlagen
Rz. 29
Im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge spielt in der Praxis die Übertragung von selbstgenutzten Immobilien der Übergebenden an Kinder oder an sonstige nahestehende Personen eine große Rolle. Der Übergeber sollte in jedem Fall über die rechtlichen Risiken der Übertragung des Eigentums belehrt werden. In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass es zu Streitigkeiten zwischen Übergeber und Übernehmer kommt, die dazu führen, dass der Übernehmer mit allen Mitteln versucht, seine Eigentumsrechte an dem übertragenen Grundstück gegen den Willen des Übergebers auszunutzen.
Rz. 30
Eine zum Nießbrauch alternative Möglichkeit, den Übergeber abzusichern, besteht darin, für ihn (und ggf. seinen Ehegatten) ein dinglich gesichertes Wohnrecht gemäß § 1093 Abs. 1 S. 1 BGB zu bestellen. Ein derartiges Wohnrecht ist einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit nach §§ 1090–1092 BGB i.d.R. vorzuziehen, da das Wohnrecht nach § 1093 BGB die Nutzung eines Gebäudes oder eines Teils eines Gebäudes unter Ausschluss des Eigentümers gestattet. Auf dieses Wohnrecht finden gemäß § 1093 Abs. 1 S. 2 BGB zahlreiche Nießbrauchsvorschriften Anwendung.
Praxishinweis
Aus Sicht des Übergebers ist allerdings regelmäßig zunächst zu überlegen, ob er sich nicht statt des Wohnrechts ein Nießbrauchsrecht vorbehält, da dieses ein umfassendes Nutzungsrecht gewährt (vgl. hierzu bereits Rdn 10 ff.) und damit eine umfassendere Absicherung für den Übergeber bedeutet. Insbesondere besteht bei Vorbehalt eines Nießbrauchs für den Übergeber unproblematisch die Möglichkeit, die Erträge aus der übertragenen Immobilie zu nutzen, selbst wenn er die Räumlichkeiten nicht mehr selbst nutzen möchte oder – z.B. bei Eintritt eines Pflegefalls – nicht mehr nutzen kann. Bei Einräumung eines Wohnrechts ist dies zwar über § 1092 Abs. 1 S. 2 BGB auch möglich, bedarf aber der Gestattung des Eigentümers – also des Übernehmers –, so dass hier ein gewisses Konfliktpotential angelegt sein kann. In jedem Fall empfiehlt sich bereits bei Abschluss des Übergabevertrages eine sog. Wegzugsklausel aufzunehmen.
Rz. 31
Im Übrigen unterscheidet sich das Wohnrecht vom Nießbrauch insb. dadurch, dass Ersteres auch in Ansehung einzelner Räume oder Wohnungen eines Mehrfamilienhauses bestellt werden kann. Ein Unterschied zum Nießbrauch besteht auch darin, dass das Wohnrecht grundsätzlich durch Gläubiger des Wohnberechtigten nicht gepfändet werden kann, da die Überlassung lediglich bei ausdrücklicher Gestattung zulässig ist (vgl. § 1092 Abs. 1 S. 1 BGB, § 857 Abs. 3 ZPO [nicht belastbar: § 1274 Abs. 2 BGB]). Der Nießbrauch ist dagegen pfändbar, da § 1059 S. 2 BGB die Überlassung des Nießbrauchs generell gestattet und ein Ausschluss der Überlassungsbefugnis gemäß § 851 Abs. 2 ZPO dem nicht entgegen steht. Weiter ist festzuhalten, dass der Verzicht auf ein Nießbrauchrecht unstreitig eine Schenkung darstellt. In seinem Urt. v. 20.10.2020 hat der BGH nun entschieden, dass auch der Verzicht auf das Wohnrecht einer Schenkung i.S.d. § 516 BGB entspricht. Die bei einer Schenkung vorausgesetzte Entreicherung auf Seiten des Schenkers liegt bei einem Verzicht auf eine Rechtsposition nur dann nicht vor, wenn das Recht bereits löschungsreif sei und ein Anspruch auf Zustimmung zu seiner Löschung bestehe. Der wirtschaftliche Wert der aufgegebenen Rechtsposition für den Schenker ist i.R.d. § 516 BGB unerheblich.
Rz. 32
Die Zwangsversteigerung des Grundstücks führt sowohl bei Bestellung eines Wohnrechts als auch bei Bestellung eines Nießbrauchs dazu, dass das Recht in das geringste Gebot kommt, sofern es rangbesser ist. Somit bleibt es nach dem Zuschlag bestehen (§§ 44, 52 ZVG). Geht das Wohnrecht oder der Nießbrauch dem betreibenden Gläubiger in der Rangstelle nach, erlischt das Recht mit dem Zuschlag (§§ 51 Abs. 1 S. 2, 91 Abs. 1 ZVG). An seine Stelle tritt der Anspruch auf Wertersatz aus dem Erlös, falls dieser dafür ausreicht (§§ 92 Abs. 2, 121 ZVG). Sowohl bei einem Wohnrecht als auch bei einem Nießbrauchsvorbehalt ist es daher für den Übergeber von existentieller Bedeutung, dass sein Recht an erster Rangstelle eingetragen wird.