Dr. Martin Feick, Lisa Hammes
Rz. 122
Häufig verfügen Eltern lediglich über einen oder wenige werthaltige Vermögensgegenstände, die im Rahmen der Nachfolge unter den Kindern nicht geteilt werden können oder sollen, wie z.B. der elterliche Betrieb oder das elterliche Grundstück. Möchten die Eltern dennoch ihre Kinder wirtschaftlich gleich behandeln, wird in Übergabeverträgen mit dem Übernehmer häufig vorgesehen, dass er seinen Geschwistern Ausgleichszahlungen zu leisten hat.
1. Zivilrecht
Rz. 123
Die Zahlungen des Übernehmers an seine Geschwister sind ihrem Wesen nach keine direkten Leistungen des Übernehmers an seine Geschwister. Vielmehr handelt es sich der Sache nach um Zuwendungen des Übergebers an die Geschwister. Es handelt sich somit um einen Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB), in dem sich der Übernehmer (Versprechender) gegenüber dem Übergeber (Versprechensempfänger) zu einer Leistung an seine Geschwister (Dritte) verpflichtet. Da § 328 Abs. 2 BGB nur eine Auslegungsregel zum Bestehen eines unmittelbaren Forderungsrechts des Dritten enthält, sollte im Übergabevertrag klar geregelt werden, ob die weichenden Geschwister einen unmittelbaren Anspruch gegen den Übernehmer haben.
Rz. 124
Die dogmatische Einordnung dieser gemischten Schenkung im Zivilrecht ist umstritten. Nach den Anhängern der sog. Trennungstheorie ist der Vertrag in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil zu zerlegen. Nach der ebenfalls vertretenen Einheitstheorie handelt es sich bei der gemischten Schenkung um einen einheitlichen Vertrag, der – auch wenn er Elemente mehrerer gesetzlicher Vertragstypen (z.B. Kauf gemäß §§ 433 ff. BGB und Schenkung gemäß §§ 516 ff. BGB) enthält – nicht in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil zerlegt werden kann. Die h.M., der auch der BGH nahe steht, verfolgt die sog. Zweckwürdigungstheorie, nach der es letztlich auf den Vertragszweck, der vom Parteiwillen bestimmt wird, sowie auf den Sinn und Zweck der jeweiligen gesetzlichen Regelung ankommt. In der Praxis ist dieser Theorienstreit nur für die Frage relevant, welche Vorschriften für die miteinander verschmolzenen Vertragstypen gelten.
2. Ertragsteuerrecht
Rz. 125
Ausgleichszahlungen an weichende Geschwister haben zur Folge, dass es sich bei der Vermögensübertragung um ein (teil-)entgeltliches Rechtsgeschäft handelt. Dem Übernehmer entstehen i.H.d. geleisteten Ausgleichszahlungen Anschaffungskosten, die er bei einer einkunftsrelevanten Nutzung des übergebenen Gegenstandes (z.B. Vermietung des Grundstücks) abschreiben kann. Korrespondierend hierzu ist zu beachten, dass die teilentgeltliche Übertragung beim Übergeber zur Erzielung eines Veräußerungsgewinns führen kann, z.B. bei der Übertragung von Grundstücken innerhalb der zehnjährigen Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Beispiel
V überträgt sein vermietetes Grundstück im Verkehrswert von 600.000 EUR (Steuerwert 400.000 EUR) am 7.7.2022 auf seine Tochter T. T ist verpflichtet, ihrem Bruder S einen Ausgleichsbetrag i.H.v. 300.000 EUR zu zahlen. V hatte das Grundstück am 1.1.2013 zu einem Preis von 200.000 EUR angeschafft.
Lösung
V erhält ein Veräußerungsentgelt von T i.H.v. 300.000 EUR. Nach dem Verhältnis des Veräußerungsentgelts zum Verkehrswert ist das Grundstück zu ½ entgeltlich auf T übertragen worden. Dementsprechend sind bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns auch nur die hälftigen Anschaffungskosten des V zu berücksichtigen:
Veräußerungspreis |
300.000 EUR |
abzgl. ½ Anschaffungskosten des V |
100.000 EUR |
steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn |
200.000 EUR |
Hätte V die Übertragung des Grundstücks erst nach dem 1.1.2023, mithin nach zehn Jahren oder mehr gegen Zahlung von Gleichstellungsgeldern auf seine Tochter T übertragen, wäre der von ihm erzielte Veräußerungsgewinn nicht steuerpflichtig gewesen, vgl. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
3. Schenkungsteuerrecht
Rz. 126
Die Zuwendung von Vermögensgegenständen gegen Zahlung von Abstands- oder Gleichstellungsgeldern wird schenkungsteuerlich als gemischte Schenkung qualifiziert. Die Abstands- bzw. Gleichstellungsgelder werden also im Verhältnis zwischen dem Übergeber und dem Übernehmer (sog. Deckungsverhältnis) als Gegenleistung des Übernehmers qualifiziert, die angesichts des i.d.R. höheren Werts des übertragenen Vermögensgegenstandes eine gemischte Schenkung begründet.
Rz. 127
Die Gleichstellungsgelder selbst sind nicht als freigebige Zuwendungen des Übernehmers an seine weichenden Geschwister, sondern des Übergebers an seine übrigen Kinder anzusehen. Dies ist i.d.R. auch schenkungsteuerlich günstiger. Die weichenden Kinder haben die erhaltenen Beträge als Forderungsschenkung von ihrem Elternteil zu versteuern. Bei der Vorfrage, ob es sich um e...