Rz. 4
Der Anspruch nach § 164 Abs. 5 SGB IX ist – anders als insb. der Anspruch nach § 8 TzBfG, aber auch anders als etwa der Teilzeitanspruch während der Elternzeit nach § 15 Abs. 5 BEEG – weder an eine Form noch an eine Frist noch an eine Wartezeit oder eine Mindestbeschäftigtenzahl gebunden. Liegen die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen vor, so kann der Anspruchsberechtigte den Anspruch vielmehr ohne Weiteres formlos und mit sofortiger Wirkung geltend machen.
I. Begünstigter Personenkreis
Rz. 5
Der Anspruch nach § 164 Abs. 5 SGB IX steht schwerbehinderten Arbeitnehmern zu. Nach § 2 Abs. 2 SGB IX ist ein Mensch schwerbehindert, wenn bei ihm ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und er seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz i.S.d. § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX hat. Dieser Geltungsbereich ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
Rz. 6
Gem. § 151 Abs. 1 SGB IX (bis 31.12.2017: § 68 Abs. 1 SGB IX) gelten die Vorschriften des Dritten (früher: Zweiten) Teils SGB IX – und damit § 164 SGB IX – auch für die den Schwerbehinderten gleichgestellten behinderten Menschen. Die Gleichstellung setzt gem. § 2 Abs. 3 SGB IX neben den sonstigen Voraussetzungen der Schwerbehinderung i.S.v. § 2 Abs. 2 SGB IX einen Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30 voraus. Zudem ist erforderlich, dass der gleichgestellte Mensch infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz i.S.d. § 156 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten kann. Die Gleichstellung erfolgt gem. § 151 Abs. 2 S. 1 SGB IX durch Verwaltungsakt der Agentur für Arbeit.
Rz. 7
Gerade auch im Hinblick auf den Teilzeitanspruch nach § 164 Abs. 5 SGB IX und eine entsprechende Aktivlegitimation im arbeitsgerichtlichen Prozess ist zu beachten, dass die Gleichstellung bereits mit dem Tag des Eingangs des Antrags bei der Bundesagentur für Arbeit wirksam wird, sofern denn anschließend ein Gleichstellungsbescheid ergeht, § 151 Abs. 2 S. 2 SGB IX. Es ist also denkbar, dass der Teilzeitanspruch geltend gemacht wird, obwohl bislang noch nicht rechtskräftig über die Gleichstellung entschieden ist. In einem solchen Fall ist die Entscheidung der Agentur für Arbeit vorgreiflich für die Frage der Anspruchsberechtigung nach § 164 Abs. 5 SGB IX.
II. Notwendigkeit kürzerer Arbeitszeit
Rz. 8
Ist der Kreis der Anspruchsberechtigten ohnehin schon denkbar eng, so besteht der Teilzeitanspruch nach § 164 Abs. 5 SGB IX zudem nur dann, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen der Art oder der Schwere der Behinderung notwendig ist. Wann diese Notwendigkeit gegeben ist, erläutert das Gesetz nicht. Auch in Rechtsprechung und Literatur hat sich dazu keine einheitliche Definition durchgesetzt; vielmehr wird zu Recht darauf verwiesen, die Notwendigkeit müsse für den Einzelfall bestimmt werden.
Rz. 9
Eine Notwendigkeit wird immer dann anzunehmen sein, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung aufgrund seiner Behinderung nicht oder jedenfalls nicht ohne Gefahr für seine Gesundheit über die gesamte vereinbarte Arbeitszeit erbringen kann. In jedem Fall ist die Anpassung notwendig, wenn dem Arbeitnehmer eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI bewilligt ist. Eine Notwendigkeit kann sich aus besonderen Belastungen durch die Arbeit aufgrund der Art der Behinderung ergeben, sei diese eine körperliche oder eine geistige Behinderung. Auch ist denkbar, dass durch die Behinderung besondere Schwierigkeiten eintreten, denen durch die Arbeitszeitreduzierung Rechnung zu tragen ist, z.B. wenn ein im Rollstuhl sitzender schwerbehinderter Mensch längere beschwerliche Anfahrtszeiten in Kauf nehmen muss.
Rz. 10
Der Wortlaut des § 164 Abs. 5 S. 3 SGB IX ("die kürzere Arbeitszeit") legt nahe, dass das Teilzeitbegehren sich auf genau diejenige künftige Arbeitszeit richten muss, die gesundheitlich notwendig ist. Die Notwendigkeit muss sich also nicht nur auf eine Verkürzung überhaupt beziehen, so dass der Umfang der neuen Arbeitszeit letztlich im Belieben des Arbeitnehmers stünde. Vielmehr muss auch der konkrete Umfang der vom Arbeitnehmer neu gewünschten Arbeitszeit notwendig sein, also so hoch wie es angesichts der Art und Schwere der Behinderung möglich ist. Anders formuliert besteht kein Anspruch auf eine Reduzierung der Arbeitszeit über das zur Sicherung der Gesundheit notwendige Maß hinaus.