Rz. 51
Der Eingangssatz von § 3 II AVB ist § 100 VVG nachempfunden, der die grundsätzlichen Leistungspflichten für alle Haftpflichtversicherungen umschreibt. Der Anspruch des Anwalts gegen den Versicherer aus dem Versicherungsvertrag hat einen für die Haftpflichtversicherung typischen Doppelcharakter. Soweit die Schadensersatzforderung, die an den Versicherungsnehmer herangetragen wird, berechtigt ist, hat der Versicherer den Versicherungsnehmer von diesen Ansprüchen freizustellen, in aller Regel durch Zahlung an den geschädigten Dritten. Sind die Ansprüche unberechtigt, kommt das Rechtsschutzelement zum Tragen, das der Haftpflichtversicherung innewohnt. Der Versicherer bietet dem Anwalt Rechtsschutz für die erforderlichen Kosten eines Haftpflichtprozesses, falls der Geschädigte gegen den Versicherungsnehmer Haftpflichtklage erhebt. Welche der beiden Möglichkeiten des Deckungsschutzes in Betracht kommt, steht in der Entscheidungshoheit des Versicherers. Dabei hat er einen Ermessensspielraum, und zwar selbst dann, wenn eine Verurteilung über die Versicherungssumme hinaus droht. Damit korrespondierend besteht die Pflicht, die Sach- und Rechtslage sorgfältig zu prüfen und die Interessen des Versicherungsnehmers so zu wahren, wie es ein von ihm beauftragter Anwalt tun würde oder müsste. Ergibt die Prüfung, dass der Anspruch des Dritten berechtigt ist, kann der Versicherer sofort anerkennen oder befriedigen. In diesem Zusammenhang kann der Versicherer grds. auch alle ihm zur Beilegung des Streits zweckmäßig erscheinenden Erklärungen abgeben, soweit seine Leistung betroffen ist (§ 3 II Nr. 1.3 AVB). § 3 II Nr. 7 AVB setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer auch widersprechen kann und der Versicherer diesen Widerspruch dann berücksichtigen muss. Die Risiken eines ungünstigeren Ausgangs treffen in diesem Fall den Versicherungsnehmer selbst.
Der Versicherer darf auch im Haftpflichtprozess nicht auf Seiten des Anspruchstellers beitreten, um die Verurteilung des Versicherungsnehmers wegen vorsätzlicher Pflichtverletzung zu erreichen und anschließend die Deckung wegen wissentlicher Pflichtverletzung abzulehnen.
Rz. 52
Die Kosten eines Haftpflichtprozesses hat der Versicherer zu übernehmen, wenn mit seinem Einverständnis oder auf seine Weisung die Schadensersatzansprüche außergerichtlich abgelehnt wurden und der Anspruchsteller gegen den Versicherungsnehmer Haftpflichtklage erhebt. Die Einzelheiten dazu sind § 3 II Nr. 5 AVB zu entnehmen.
Das wichtigste Prinzip bei der Kostendeckung ist, dass die Übernahme der Kosten stets davon abhängt, ob und inwieweit Versicherungsschutz für den – klageweise – geltend gemachten Anspruch selbst besteht. Oft werden im Regressprozess auch Gebührenfragen geklärt, sei es, dass der Versicherungsnehmer mit dem gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruch mit eigenen Gebühren aufrechnet bzw. Widerklage erhebt, sei es, dass der Mandant widerklagend Schadensersatzansprüche geltend macht, nachdem der Anwalt seine Gebühren einklagte. Die Kostendeckung beschränkt sich in diesen Fällen stets auf die Gebühren nach der Streitwertstufe, die dem gedeckten Haftpflichtanspruch entspricht; die darüber hinausgehenden Kosten gehen zulasten des Versicherungsnehmers.
Der den Versicherungsnehmer vertretende Anwalt wird regelmäßig nicht Vertragspartner des Versicherers. Dieser kann den Prozessbevollmächtigten entweder im Namen des Versicherungsnehmers im Rahmen seiner Vollmacht gem. § 3 II Nr. 1.3 AVB beauftragen oder lediglich Empfehlungen aussprechen, woraufhin der Versicherungsnehmer selbst die Mandatierung vornimmt. In beiden Fällen besteht das Mandatsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und seinem Anwalt, während der Versicherer nur dem Versicherungsnehmer zur Kostenerstattung verpflichtet ist. Der Prozessbevollmächtigte hat deshalb keinen eigenen Honoraranspruch gegen den Versicherer und ist grds. auch nur dem Versicherungsnehmer aus dem Mandat verpflichtet. So wäre es ihm insb. verwehrt, den Versicherer in einer Auseinandersetzung mit dem Versicherungsnehmer wegen des Versicherungsschutzes zu vertreten.
Muss der Versicherungsnehmer wegen Unterschreitens des Mindest- oder Festselbstbehalts ohnehin die Urteilssumme im Fall des Unterliegens selbst und vollständig tragen, kann er auch die Entscheidungen über Abwehr oder Zahlung treffen. Konsequenterweise besteht dann aber auch kein Kostenschutz, wenn er sich darauf einlässt, dass die Schadensersatzansprüche im Haftpflichtprozess entschieden werden.
Übersteigt die Klagesumme allein die Versicherungssumme nicht, wird die Grenze der Versicherungssumme aber durch Regulierung von Hauptsache und Kosten überschritten, hat der Versicherer die Kosten trotzdem voll zu übernehmen. Das ergibt sich aus dem Einschub in § 3 II Nr. 2.1 AVB.
Rz. 53
Fraglich ist, ob die Kosten aus einem die Versicherungssumme überschreitenden Streitwert zu übernehmen sind, wenn die Zahlung auf die Hauptsache die Versicherungsleistung nicht a...