A. Einführung
Rz. 1
Gar nicht so selten kommt es vor, dass der Kläger sein Interesse an der Fortführung des Verfahrens deshalb verliert, weil der Beklagte nach Anhängigkeit der Klage den geltend gemachten Anspruch erfüllt.
Beispiel:
A will von B einen Kaufpreis von 5.000,00 EUR für ein Bild haben, dass er B freundlicher Weise bereits vor Bezahlung ausgehändigt hat. B zahlt trotz Mahnung mit Fristsetzung nicht. A erhebt deshalb Klage mit dem Antrag, B zur Zahlung von 5.000,00 EUR zu verurteilen. Nachdem B die Klage bereits zugestellt worden ist, zahlt er die Klagesumme.
Rz. 2
Für den Kläger stellt sich in dieser Situation die Frage, was er mit der von ihm erhobenen Klage machen soll. Diese ist nach der Zahlung unbegründet, da der mit der Klage geltend gemachte Anspruch nun durch Erfüllung erloschen ist und es für die Frage der Begründetheit der Klage auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt. Die Klage würde also, ließe man sie einfach weiterlaufen, unter Auferlegung der Kosten zu Lasten des Klägers abgewiesen werden. Um dies zu vermeiden, könnte der Kläger die Klage zurücknehmen. Dies könnte er bis zur Verhandlung der Hauptsache ohne Zustimmung des Beklagten tun, dies wäre aber falsch, da der Kläger in diesem Fall gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO auch die Verfahrenskosten zu tragen hätte (klassischer Anwaltsfehler!).
B. Erledigung der Hauptsache
Rz. 3
Diese Problematik hat der Gesetzgeber erkannt und über den § 91a ZPO die Möglichkeit geschaffen, die Hauptsache für erledigt zu erklären.
I. Erledigendes Ereignis
Rz. 4
Voraussetzung der Erledigungserklärung ist zunächst ein erledigendes Ereignis. Erledigendes Ereignis ist jedes Vorkommnis, das nach Rechtshängigkeit der Klage den klageweise geltend gemachten Anspruch entfallen lässt. Das Entfallen kann dabei wie im obigen Bsp. auf einer Erfüllung des Anspruchs beruhen. Es kann aber bspw. auch ein Gegenstand, dessen Herausgabe begehrt wird, weggefallen oder ein Rechtsverhältnis, dessen Feststellung eingeklagt ist, durch Zeitablauf oder Kündigung beendet worden sein.
Ein Ereignis ist nur dann erledigend i.S.d. § 91a ZPO, wenn es nach Rechtshängigkeit der Klage, d.h. nach Zustellung der Klage an den Gegner, eintritt. Tritt die "Erledigung" vorher, insb. nach Anhängigkeit, d.h. Einreichung der Klage bei Gericht vor Zustellung, ein, liegt ein erledigendes Ereignis nicht vor. Möglich ist auch, dass ein Ereignis die Hauptsache nur teilweise erledigt, etwa, weil nur ein Teil der Klageforderung bezahlt oder einer von mehreren kumulativ verfolgten Klageansprüchen befriedigt wird.
II. Erledigungserklärung
Rz. 5
Die Erledigung der Hauptsache muss ausdrücklich durch den Kläger erklärt werden. Die Erklärung ist eine bedingungsfeindliche Prozesshandlung. Sie muss erkennen lassen, auf welchen Teil des Klageanspruchs sie sich bezieht. Außerdem sollte für die Erledigungserklärung eine kurze Begründung abgegeben werden.
Rz. 6
Muster 1: Erledigungserklärung
Muster: Erledigungserklärung
In der Sache
Müller ./. Meier
erkläre ich den Rechtsstreit in der Hauptsache in Höhe von 2.000,00 EUR für erledigt, nachdem die Gegenseite nach Rechtshängigkeit der Klage diesen Betrag auf die Klagesumme bezahlt hat.
Gleichzeitig stelle ich hinsichtlich des erledigten Teils Kostenantrag.
(Unterschrift)
Rz. 7
Die Erledigungserklärung kann mittlerweile auch schriftsätzlich erklärt werden, ohne dass es einer mündlichen Verhandlung bedarf. Das Mündlichkeitsprinzip ist zur Entlastung der Gerichte insoweit durchbrochen.
Es ist im Übrigen üblich, einen Kostenantrag zu stellen, obwohl dies eigentlich überflüssig ist, da das Gericht über die Kosten des Verfahrens von Amts wegen entscheidet.
III. Beiderseitige Erledigungserklärung
Rz. 8
Der Beklagte hat zwei Möglichkeiten, auf eine Erledigungserklärung durch den Kläger zu reagieren: Entweder schließt er sich ihr an oder er widerspricht ihr.
Im Fall der beiderseitigen Erledigungserklärung hat das Gericht von einer Erledigung der Hauptsache auszugehen. In eine Prüfung, ob tatsächlich ein erledigendes Ereignis vorliegt, tritt es nicht ein. Zu entscheiden ist damit lediglich noch über die bis zur Erledigung angefallenen Verfahrenskosten. Dabei prüft das Gericht anhand der Aktenlage, wer nach dem Aktenstand das Verfahren gewonnen hätte. In begrenztem Umfang darf das Gericht dabei die nicht erhobenen, aber angetretenen Beweise würdigen, "antizipieren". Nur in Ausnahmefällen wird es eine Beweisaufnahme durchführen, um über die Kosten entscheiden zu können.
Beispiel:
A verklagt B auf Zahlung von 6.000,00 EUR Kaufpreis. B bestreitet den Anspruch, indem er unter Beweisantritt Sachmängel einwendet und Rücktritt vom Kaufvertrag geltend macht.
A bestreitet die Sachmängel unter Beweisantritt. Nunmehr bezahlt B und beide Prozessparteien erklären den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Das Gericht muss nunmehr gem. § 91a ZPO über die Verfahrenskosten entscheiden. Es wird sich hierfür zunächst die Beweislasten verdeutlichen. Danach hätte B bei einem Fortgang des Verfahrens die behaupteten Sachmängel beweisen müssen. Einen Beweis hat er hierfür angeboten. A hatte einen Gegenbeweis angeboten, so dass der ...