Rz. 80

So besteht Einigkeit, dass sich ein nicht nur unerheblich körperlich bzw. seelisch Verletzter in medizinische (wenn auch nicht notwendigerweise schulmedizinische)[226] Heilbehandlung begeben und die ärztlichen Verordnungen/Empfehlungen befolgen muss, will er nicht – auch schadensrechtlich – Gefahr laufen, dass ein etwaiger Anspruch mit Blick auf § 254 Abs. 2 BGB gekürzt wird.[227] Namentlich eine Operation ist insoweit zumutbar, wenn sie Erfolg verspricht, nicht mit besonderen Schmerzen verbunden ist und der Schädiger – wozu er verpflichtet ist[228] – die Kosten vorschießt;[229] nicht jedoch bei einer Meinungsverschiedenheit unter den Fachleuten,[230] besonderen Risiken, zweifelhafter Erfolgsaussicht oder sonstigen erheblichen Nachteilen.[231] Gemessen daran ist eine Hüftgelenksoperation zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit unter Umständen nicht zumutbar.[232] Einfachere Heilmaßnahmen (Diät, Krankengymnastik o.ä.) sind dem Verletzten hingegen mangels abweichender Anhaltspunkte ohne weiteres zuzumuten. Wenn der Verletzte dem Rat seines Arztes folgt, trifft ihn regelmäßig auch kein Verschulden, selbst wenn durch die Art der medizinischen Behandlung eine Verzögerung der Heilung oder gar Verschlimmerung eintritt. Denn der Arzt ist nicht Erfüllungsgehilfe des Verletzten. Bei Körperverletzungen obliegt die Schadensminderungspflicht dem Verletzten, nicht seinem Rechtsnachfolger. Ein kraft cessio legis klagender Sozialversicherungsträger muss sich aber ein etwaiges Mitverschulden des Verletzten entgegenhalten lassen,[233] so beispielsweise, dass dieser es versäumte, durch Rehabilitationsmaßnahmen die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen.[234]

[226] Vgl. RGZ 139, 131.
[227] Vgl. BGH, Urt. v. 4.10.1963 – VI ZR 109/62, VersR 1964, 94; OLG Schleswig, Urt. v. 21.3.2019 – 7 U 134/16, juris.
[228] BGH, Urt. v. 24.10.1961 – VI ZR 23/61, VersR 1961, 1125.
[229] BGHZ 10, 18, 19; BGH, Urt. v. 15.3.1994 – VI ZR 44/93, r + s 1994, 217; OLG Frankfurt, Urt. v. 22.10.1992 – 3 U 146/91, NZV 1993, 471.
[230] RGZ 129, 398.
[231] OLG Nürnberg, Urt. v. 12.12.2008 – 5 U 953/04, VersR 2009, 1079; Palandt/Grüneberg, § 254 BGB, Rn 38.
[232] OLG Oldenburg, Urt. v. 25.3.1980 – 5 U 6/77, VersR 1982, 175.
[234] BGH, Urt. v. 16.12.1980 – VI ZR 92/79, NJW 1981, 1099, 1100.

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