Rz. 81
Im dritten Abschnitt des AGG sind die Rechte der Beschäftigten geregelt. Den Beschäftigten steht zunächst ein Beschwerderecht i.S.d. § 13 AGG zu. Darüber hinaus wird ihnen unter den Bedingungen des § 14 AGG ein Leistungsverweigerungsrecht eingeräumt. Ferner haben sie unter den Voraussetzungen des § 15 AGG einen Anspruch auf Schadensersatz und Entschädigung. Letztlich ist die Maßregelung von Arbeitnehmern wegen der Inanspruchnahme von Rechten aus dem AGG nach § 16 AGG verboten.
I. Beschwerderecht, § 13 AGG
Rz. 82
Ein Beschäftigter hat das Recht sich bei einer zuständigen Stelle des Betriebes, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren, wenn er sich im Zusammenhang mit seinem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, vom Vorgesetzten, von anderen Beschäftigten oder Dritten wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt fühlt. Die Beschwerde ist sodann zu prüfen und das Ergebnis ist dem Beschwerdeführer anschließend mitzuteilen. Der Arbeitgeber muss eine dafür zuständige Stelle im Betrieb oder in der Dienststelle bekannt machen (§ 12 Abs. 5 AGG). Der Begriff der zuständigen Stelle ist weit zu verstehen. Dies kann bspw. ein Vorgesetzter, eine Gleichstellungsbeauftragte oder eine betriebliche Beschwerdestelle sein (Westhauser/Sediq, NZA 2008, 78, 80). Der Beschwerdeführer ist bei der Einlegung der Beschwerde weder an eine Frist noch an eine Form gebunden (s. § 84 BetrVG).
Rz. 83
Es besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Errichtung einer Beschwerdestelle nach § 13 AGG. Die Errichtung einer Beschwerdestelle ist reiner Gesetzesvollzug. Bei der Besetzung der Beschwerdestelle ist ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht ausgeschlossen, da die Festlegung der Beschwerdestelle regelt, an wen sich die Beschäftigten zu richten haben, wenn sie sich nicht bei dem Betriebsrat, sondern bei ihrem Arbeitgeber beschweren wollen (BAG v. 21.7.2009 – 1 ABR 42/08; a.A. Gach/Julis, BB 2007, 773 ff.; Ehrich/Frieters, DB 2007, 1026 ff.; Besgen, BB 2007, 213 ff.; Westhauser/Sediq, NZA 2008, 78, 80).
Rz. 84
Dies gilt auch für die Ausgestaltung des Beschwerderechtes, weil der Bereich der betrieblichen Ordnung betroffen sein kann (LAG Hamburg v. 17.4.2007 – 9 BV 3/07). Wird eine Benachteiligung festgestellt, muss der Arbeitgeber seiner Pflicht aus § 12 AGG nachkommen und Abhilfe schaffen.
II. Leistungsverweigerungsrecht, § 14 AGG
Rz. 85
Für den Fall, dass der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung einer Belästigung oder sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz ergreift, steht dem davon betroffenen Beschäftigten ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Er hat demnach einen Anspruch darauf, seine Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgeltes einzustellen, jedoch nur soweit dies zu seinem Schutz erforderlich ist. Das Leistungsverweigerungsrecht besteht nicht für die Fälle der unmittelbaren oder mittelbaren Benachteiligung aus § 3 AGG. Voraussetzung ist, dass eine Belästigung tatsächlich stattgefunden hat, diese der zuständigen Stelle im Betrieb mitgeteilt worden ist und der Arbeitgeber dennoch untätig geblieben ist, also seiner Pflicht aus § 12 AGG, erforderliche Maßnahmen zum Schutz vor der Belästigung zu ergreifen, nicht nachgekommen ist. Eine ergriffene Maßnahme, die aber offensichtlich ungeeignet ist, dem Betroffenen den Schutz vor weiteren Belästigungen zu gewähren, kann ebenfalls ein Leistungsverweigerungsrecht begründen. Ob eine Maßnahme ungeeignet ist, ist objektiv zu bestimmen. Die subjektive Einschätzung des Betroffenen genügt nicht. Das Leistungsverweigerungsrecht wird auch begründet, wenn die Belästigung durch den Arbeitgeber selbst oder der Dienstvorgesetzten geschieht (BT-Drucks 16/1780, 37). Ein Beispiel für eine offensichtlich ungeeignete Maßnahme wäre eine vorläufige Beschränkung der Angelegenheit auf interne schriftliche Vermerke, ohne Täter und Opfer anzusprechen (Thüsing, Rn 569). Die Einstellung der Tätigkeit muss gerechtfertigt sein. Es kommt dabei auf die Verhältnismäßigkeit zwischen der Art und Schwere der Belästigung und der Ausübung des Leistungsverweigerungsrechtes an. Es darf kein anderes, milderes Mittel zur Unterbindung der Belästigung geben, selbst wenn der Betroffene dieses nicht gekannt hat oder erkannt haben sollte (Thüsing, Rn 571). Der Arbeitnehmer trägt mithin das Risiko eines Irrtums. § 22 AGG gilt nur für Diskriminierungen, daher trägt der Arbeitnehmer die Beweislast dafür, dass ein Leistungsverweigerungsrecht vorliegt. Besteht ein solches nicht und hat der Arbeitnehmer davon irrtümlich Gebrauch gemacht, kann ihm wegen beharrlicher Leistungsverweigerung verhaltensbedingt gekündigt werden (BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 569/14).
Rz. 86
Besteht hingegen ein legitimes Leistungsverweigerungsrecht, dann hat der Arbeitgeber nach dem Lohnausfallprinzip dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt weiter zu zahlen, das der Arbeitnehmer verdient hätte, wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte (MüKo/Thüsing, AGG, § 14 Rn 12). Nach § 14 S. 2 AGG bleibt § 273 BGB unberührt. Die Gesetzesbegründung weist darauf hin, dass die Vors...