Rz. 87
§ 15 Abs. 1 AGG betrifft den Ersatz des materiellen Schadens. Der Arbeitgeber ist zu Schadensersatz verpflichtet, wenn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliegt. Dies gilt aber nur, wenn er den Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot zu vertreten hat. Er muss hinsichtlich des Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot vorsätzlich oder fahrlässig i.S.d. § 276 BGB gehandelt haben. Gem. § 278 BGB sind die Verstöße von Erfüllungsgehilfen, wie z.B. Personalverantwortlichen oder Führungskräften, dem Arbeitgeber zuzurechnen. Diese handeln als Erfüllungsgehilfen, wenn sie in Ausübung des Direktionsrechtes eine verbotene Benachteiligung begehen und nicht "bei Gelegenheit". Dies gilt nicht für Kunden des Arbeitgebers.
Rz. 88
Andere Personen, wie z.B. Beschäftigte oder Geschäftspartner, sind nicht nach § 15 AGG zum Schadensersatz verpflichtet, sie können aber ggf. aus § 823 Abs. 1 BGB haften (Annuß, BB 2006, 1629, 1634). Das Nichtvertretenmüssen hat der Arbeitgeber einzuwenden. Er ist mithin für das fehlende Verschulden darlegungs- und beweispflichtig (Krieger/Müller, ArbRAktuell 2017, 57).
Rz. 89
Ein Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens entsteht nur, wenn der Betroffene bei einer Bewerbung oder Beförderungsentscheidung geltend macht, dass er bei benachteiligungsfreier Auswahl eingestellt oder befördert worden wäre. Dies setzt voraus, dass er jeweils der Bestqualifizierte war. Wobei für die Qualifizierung nicht nur harte, sondern auch weiche Kriterien berücksichtigt werden, d.h. dass nicht nur der Lebenslauf eine Rolle spielt, sondern auch Teamfähigkeit, Selbstbewusstsein, Führungsstärke und soziale Kompetenz (Schaub, ArbRHB, § 36 Rn 109). Mit Urt. v. 19.4.2012 hat der EuGH entschieden, dass einem abgelehnten Bewerber kein Auskunftsanspruch darüber zusteht, ob der Arbeitgeber am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat. Jedoch hat der Gerichtshof auch auf den Umstand hingewiesen, dass die Verweigerung der Offenbarung von jeglichen Informationen ein Gesichtspunkt sein könne, der i.R.d. Nachweises von Tatsachen, die auf eine Diskriminierung hindeuten könnten, heranzuziehen sei (EuGH v. 19.4.2012 – C-415/10).
Der Betroffene hat keinen Anspruch auf Naturalrestitution, d.h. Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder auf einen beruflichen Aufstieg, § 15 Abs. 6 AGG, er bekommt nur Schadensersatz in Form eines finanziellen Ausgleiches. Wenn dem Betroffenen kein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG zusteht, so kann er auch keinen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Modalitäten bezüglich der ausgeschriebenen Stelle mit Erfolg geltend machen. Insoweit mangelt es an einem Informationsbedürfnis (BAG v. 19.8.2010, NZA 2010, 1418).
Rz. 90
Ersatzfähiger Schaden ist der entgangene Verdienst, wobei Arbeitslosengeld oder ein anderweitiger Verdienst dem Betroffenen anzurechnen sind, da er diese Leistungen im Fall einer Einstellung nicht bezogen hätte. Der Schadensersatz in § 15 Abs. 1 AGG ist in der Höhe nicht begrenzt. Man könnte an eine Begrenzung von drei Monatsgehältern denken, wenn man von einer fiktiven Kündigung des Arbeitsverhältnisses als rechtmäßiges Alternativverhalten ausgeht. Dies könnte wiederum als diskriminierend angesehen werden (Bauer/Thüsing/Schunder, NZA 2006, 774, 776; Willemsen/Schweibert, NJW 2006, 2583, 2589). I.R.d. Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches nach § 15 Abs. 1 AGG trifft den Bewerber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er als am besten geeignete Bewerber bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte (BAG v. 19.8.2010, a.a.O.).
Rz. 91
Der Anspruch aus § 831 BGB bleibt davon unberührt, § 15 Abs. 5 AGG. Darüber hinaus bleibt auch der Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG auf Entschädigung vom Schadensersatzanspruch unberührt.