Rz. 99

§ 15 Abs. 4 AGG schreibt die Pflicht zur schriftlichen Geltendmachung von Ansprüchen nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG innerhalb von zwei Monaten vor, wenn nicht die Tarifvertragsparteien etwas anderes vereinbart haben. Diese zweimonatige Ausschlussfrist nach § 15 Abs. 4 AGG steht im Einklang mit europäischem Gemeinschaftsrecht (BAG v. 18.5.2017 – 8 AZR 74/16, EuGH v. 8.7.2010 – C-246/09). Im Fall einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs beginnt die Frist mit dem Zugang des Ablehnungsschreibens. Wobei die Ablehnung nicht schriftlich zu erfolgen hat, sie muss gem. § 130 BGB zugehen, es reicht demnach auch die mündlich oder fernmündlich erteilte Ablehnung aus. Eine schriftliche Ablehnung ist empfehlenswert, weil sie die Beweisführung vereinfacht. Der Fristbeginn in sonstigen Fällen einer Benachteiligung ist zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Der Gesetzgeber meint, der Bewerber erlange im Zeitpunkt des Zuganges der Ablehnung von der Benachteiligung Kenntnis (BT-Drucks 16/1780, 38). Für die Kenntnis kommt es auf die anspruchsbegründenden Tatsachen an.

 

Rz. 100

Tarifvertraglich kann etwas anderes vereinbart werden. Es können sowohl längere als auch kürzere Ausschlussfristen vereinbart werden. Im Fall der Ablehnung einer Bewerbung gilt ausschließlich die gesetzliche Ausschlussfrist, da gerade ein Arbeitsverhältnis nicht zustande gekommen und somit kein Tarifvertrag einschlägig ist (Thüsing, Rn 554). Eine individuelle Vereinbarung in einem Arbeitsvertrag darf davon nicht abweichen (§ 31 AGG). Die Ansprüche müssen schriftlich geltend gemacht werden, es gilt nicht die Schriftform des § 126 BGB, sondern es genügt vielmehr die Textform nach § 126b BGB (BAG v. 19.8.2010 – 8 AZR 530/09). Wenn der Arbeitgeber auf die Geltendmachung hin nicht zahlt, muss der Arbeitnehmer die Ansprüche gerichtlich geltend machen, die Leistungsklage ist die statthafte Klageart. Gem. § 61b Abs. 1 ArbGG muss der Arbeitnehmer innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch geltend gemacht worden ist, eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG erheben, wenn der Arbeitgeber auf die Geltendmachung hin nicht gezahlt hat. Wenngleich in § 61b Abs. 1 ArbGG nur die Entschädigung genannt ist, muss die Ausschlussfrist auch für Schadensersatzansprüche gelten (Willemsen/Schweibert, NJW 2006, 2583, 2591). Die schriftliche Geltendmachung kann durch die gerichtliche Geltendmachung ersetzt werden, dann muss sie jedoch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist erfolgen (BAG v. 22.5.2014 – 8 AZR 662/13).

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