A. Allgemeines
Rz. 1
Das AGG ist am 18.8.2006 in Kraft getreten. Es basiert auf vier europäischen Richtlinien, die ihre Rechtsgrundlage in dem Diskriminierungsverbot des Art. 13 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft finden. Zunächst ist die europäische Antirassismus-RL 2000/43/EG v. 29.6.2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied von Rasse und ethnischer Herkunft umgesetzt worden. Des Weiteren ist die europäische Rahmenrichtlinie 2000/78/EG v. 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf umgesetzt worden und auch die europäische RL 76/207/EWG, geändert durch die Gender-RL 2002/73/EG v. 23.9.2002, die eine Diskriminierung wegen des Geschlechtes bei allen Arbeitsbedingungen verbietet. Letztlich ist die europäische Uni-Sex-RL 2004/113/EG v. 13.12.2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen umgesetzt worden.
Rz. 2
Ziel des AGG ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechtes, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen, § 1 AGG. Das AGG gewährt Rechtsschutz vor Diskriminierungen. Dabei ist nicht Sinn der Diskriminierungsverbote, dem Arbeitgeber eine bestimmte Arbeitsorganisation vorzuschreiben. Die Diskriminierungsverbote haben vielmehr zum Ziel, das wirtschaftliche Geschehen von sachlich nicht gerechtfertigten und vernunftgebundenen Entscheidungen hemmenden, z.B. auf Vorurteilen beruhenden, Erwägungen der Marktteilnehmer freizuhalten und sollen auf diese Weise gerade im Gegenteil die Dynamik rationaler, sachbezogener, rechtmäßiger Erwägungen erhöhen (vgl. v. Hoff, SAE 2009, 293).
Das AGG ist in mehrere Abschnitte unterteilt. Für das Arbeitsrecht ist der zweite Abschnitt des AGG, "Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligungen", relevant. Dieser ist wiederum in drei Abschnitte unterteilt: das "Verbot der Benachteiligung", die "Organisationspflichten des Arbeitgebers" und die "Rechte der Beschäftigten".
B. Anwendungsbereich des AGG
Rz. 3
Den Anwendungsbereich für das Verbot von Benachteiligungen aus den Gründen des § 1 AGG regelt § 2 AGG. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AGG ist das Benachteiligungsverbot auf alle Tatbestände aus dem Bereich des Berufs und der Beschäftigung anwendbar (sachlicher Anwendungsbereich). Daneben regelt § 2 Abs. 1 Nr. 5–8 AGG weitere Anwendungsfelder wie Bildung oder den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraums.
Rz. 4
Den persönlichen Anwendungsbereich für das AGG legt § 6 AGG fest. Danach gilt das AGG im Arbeitsrecht für Bewerber, Arbeitnehmer, arbeitnehmerähnliche Personen, Auszubildende, Heimarbeiter, ausgeschiedene Beschäftigte, bei denen noch Folgewirkungen bestehen, und Leiharbeiter, wobei sowohl der Verleiher als auch der Entleiher als Arbeitgeber gelten. Soweit es den Zugang zur Beschäftigung oder beruflichen Aufstieg betrifft, gelten die Schutzvorschriften auch für Organmitglieder, wie Geschäftsführer, Vorstände und für Selbstständige entsprechend (§ 6 Abs. 3 AGG). Unter einem Zugang zur Beschäftigung versteht man dabei nicht nur den erstmaligen, sondern auch den erneuten Zugang bzw. die Fortsetzung nach Beendigung einer Tätigkeit (OLG Köln v. 29.7.2010 – 18 U 196/09). Auch ein Geschäftsführer, der nach Ablauf seines Vertrages nicht weiterbeschäftigt wird, fällt in den Schutzbereich des AGG. Der Beschluss eines Arbeitgebers, einen Geschäftsführer nach dem Ende seines Vertrages nicht weiter zu beschäftigen, stellt nämlich eine Entscheidung über den Zugang im Sinne von § 6 Abs. 3 AGG dar (BGH v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, n.v.). I.Ü. findet das AGG auf Geschäftsführer keine Anwendung. Für die Anwendbarkeit des AGG muss, anders als für die Anwendbarkeit des KSchG, in einem Betrieb keine Mindestanzahl von Arbeitnehmern vorhanden sein; es genügt bereits ein Arbeitnehmer.
Rz. 5
Die Vorschriften des AGG gelten sowohl für das kollektive als auch für das individuale Arbeitsrecht. So sind auch die Tarifvertragsparteien an das in § 7 Abs. 1 Hs. 1 AGG normierte Benachteiligungsverbot gebunden und § 7 Abs. 2 AGG findet nicht nur auf Individualvereinbarungen, sondern auch auf Tarifverträge Anwendung (BAG v. 15.2.2011 – 9 AZR 584/09).
Rz. 6
Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG ist das Benachteiligungsverbot für alle Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg, anwendbar. Dadurch soll schon in der Vertragsanbahnungsphase jede Benachteiligung ausgeschlossen werden. So unterliegt bereits jede Stellenausschreibung, jedes Bewerbungsgespräch, jeder Personalbogen, jede getroffene Auswahl bei der Einstellung der AGG-Kontrolle. D...