Rz. 149
Bei Unfällen mit Personenschaden kann man davon ausgehen, dass in so gut wie jedem Fall die Polizei eingeschaltet wird. In zwei frühen, parallelen Studien kam der Unfallforscher Müller zu dem Ergebnis, dass selbst bei Unfällen mit Getöteten in jedem dritten Fall die Unfallursache Alkohol von der Polizei übersehen wurde. Nach Müllers Befunden steht mit hoher Wahrscheinlichkeit jeder zweite Unfall mit Todesfolge in Zusammenhang mit der Alkoholisierung mindestens eines Unfallbeteiligten. Ähnliche Zahlen wurden auch in kanadischen und US-amerikanischen Studien gefunden.
Rz. 150
Simpson/Mayhew kamen zu dem Schluss, dass dabei geringe Werte der Blutalkoholkonzentration nur eine relativ untergeordnete Bedeutung haben, während die höheren BAK-Werte offenbar diejenigen sind, die als Unfallursachen extrem häufig auftreten. Insoweit sprechen die Autoren auch vom Problem des "Kerns harter Trinker" ("hardcore drinker").
Rz. 151
In einer Abschätzung des alkoholbedingten Unfallrisikos in Deutschland fanden Krüger/Vollrath heraus, dass sich das Unfallrisiko mit steigenden BAK-Werten exponentiell erhöht. Schon zwischen 0,5 und 0,8 ‰ ist das Risiko zu verunfallen bereits verdreifacht und bei 1,6 ‰ ist es sogar 37 Mal größer als für nüchterne Fahrer (siehe Abbildung 19.7).
Rz. 152
Eine Darstellung der Blutalkoholkonzentrationen bei Unfällen mit Personenschaden aus dem Jahr 2015 kann Abbildung 19.8 entnommen werden. Zwar wurde lediglich für 4 % der Unfälle mit Personenschaden eine Alkoholisierung mindestens eines Beteiligten festgestellt, doch ist zu beachten, dass in ¾ dieser Fälle hohe Blutalkoholkonzentrationen (>1,1 ‰) gemessen wurden.
Rz. 153
Betrachtet man nun die Unfalltypen, fällt auf, dass über die Hälfte der Alkoholunfälle sogenannte Fahrunfälle sind. Sie sind ohne den Einfluss eines anderen Verkehrsteilnehmers dadurch entstanden, dass der Fahrer die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hat, z.B. durch überhöhte Geschwindigkeit. Demgegenüber ist nur jeder 6. Unfall ohne Alkoholeinwirkung ein Fahrunfall. Die klassischen Vorfahrtsunfälle, z.B. beim Abbiegen, kommen bei alkoholisierten Fahrern jedoch weitaus weniger häufig vor als bei nüchternen Fahrern. Nur etwa jeder 8. Unfall unter Alkoholeinfluss ist ein Abbiegeunfall, während sie bei nichtalkoholisierten Fahrern mehr als ein Drittel ausmachen. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass alkoholisierte Fahrer an diesen bekannten Gefahrenstellen vorsichtiger fahren als auf "freier" Strecke (vgl. Statistisches Bundesamt).