Rz. 136
Soweit der gemeine Wert eines Grundstücks nicht anhand eines tatsächlich erzielten Kaufpreises bestimmt werden kann, kommen für die Schätzung des Verkehrswerts verschiedene Bewertungsmethoden in Betracht. Die h.M. differenziert insoweit zwischen verschiedenen Arten von Grundstücken, deren Bewertung sich jeweils nach unterschiedlichen Grundsätzen richtet. Dies entspricht auch der in der Literatur favorisierten Vorgehensweise nach der "Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV)".
Rz. 137
Unbebaute Grundstücke sind grundsätzlich anhand der Vergleichswertmethode zu bewerten. Der Vergleich erfolgt entweder anhand konkreter Verkaufsfälle oder mit Hilfe der nach § 196 BauGB ermittelten Bodenrichtwerte. In beiden Fällen muss sichergestellt werden, dass das Vergleichsgrundstück bzw. der Bodenrichtwert (§ 196 BauGB) hinsichtlich der den Wert beeinflussenden Merkmale hinreichend mit dem zu bewertenden Grundstück übereinstimmt, § 25 ImmoWertV. In Fällen, in denen die Vergleichsgrundstücke hinsichtlich ihrer wertbestimmenden Merkmale von dem zu bewertenden Grundstück (erheblich) abweichen, sollen die Wertunterschiede "mithilfe von Umrechnungskoeffizienten erfasst werden", § 19 ImmoWertV.
Rz. 138
Handelt es sich bei dem unbebauten Grundstück um Bauerwartungsland und unterscheidet sich das zu bewertende Grundstück durch diese Eigenschaft von den Vergleichsgrundstücken, ist der Vergleichswert um einen angemessenen Aufschlag zu erhöhen. Da die konkreten Nutzungsabsichten des Erben im Rahmen der Ermittlung des gemeinen Werts keine Rolle spielen, hat bei baureifen Grundstücken die mangelnde Absicht des Erben, das Grundstück tatsächlich zu bebauen, hinsichtlich der Wertbestimmung keine Relevanz.
Rz. 139
Zur Ermittlung des Werts selbstgenutzter Immobilien wird i.d.R. auf das Sachwertverfahren zurückgegriffen. Der Preis, den ein potenzieller Erwerber für eine Immobilie, die er selbst nutzen will, zu zahlen bereit wäre, hängt nämlich i.d.R. davon ab, wie viel er für die Errichtung einer vergleichbaren Immobilie (Grundstück und Gebäude) aufwenden müsste. Die Nutzungs- und Ertragsmöglichkeiten stehen hierbei nicht im Vordergrund.
Rz. 140
Das Sachwertverfahren führte in der Vergangenheit mitunter zu wesentlich über den Ergebnissen anderer Methoden, insbesondere aber über dem Marktniveau liegenden Werten. Mittlerweile ist aber durch § 7 Abs. 2 ImmoWertV die sog. Marktanpassung in die Sachwertermittlung integriert. Der Sachwert i.S.d. ImmoWertV kann daher als "marktangepasster Sachwert" bezeichnet werden und entspricht daher grundsätzlich dem Verkehrswert.
Rz. 141
Besondere Probleme bereitet die Bewertung von Miteigentumsanteilen an Immobilien, und zwar insbesondere dann, wenn die Immobilie von einem der Miteigentümer selbst genutzt wird. Für diese Miteigentumsanteile existiert praktisch kein Markt. Obwohl die Chance, den Anteil unter marktwirtschaftlichen Bedingungen zu veräußern, gegen Null tendiert, hat er aber dennoch einen deutlich über Null liegenden gemeinen Wert, da er zumindest als Kreditunterlage verwendet werden kann. Es ist aber in jedem Fall ein deutlicher Wertabschlag vorzunehmen.
Rz. 142
Auch ausländische Immobilien, insbesondere Ferienwohnungen, sind oftmals nur eingeschränkt verwertbar (z.B. wegen Beschränkungen für den Grundstückserwerb durch Ausländer in Polen, Österreich, Tschechien, Ungarn oder der Schweiz). Diesbezügliche Besonderheiten können – je nach den Umständen des Einzelfalls – sowohl einen Wertabschlag als auch eine Werterhöhung rechtfertigen, wenn die Nachfrage nach derartigen Immobilien durch diese besonderen Umstände beschränkt oder infolge einer künstlichen Verknappung angeregt wird.
Rz. 143
Da Renditeimmobilien (Mietwohn- und Geschäftsgrundstücke) grundsätzlich der Erzielung laufender Einkünfte dienen, ist ihrer Bewertung konsequenterweise das Ertragswertverfahren zugrunde zu legen. Für einen potenziellen Erwerber stellen die zukünftig erzielbaren Überschüsse den für die Wertbemessung entscheidenden Gesichtspunkt dar. Ein Grundstück kann demnach nur so viel wert sein, wie sich durch seine Nutzung erwirtschaften lässt. Auch der BGH schreibt für Renditeimmobilien bzw. Mietshäuser grundsätzlich die Anwendung des Ertragswertverfahrens vor. Dennoch hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit mitunter auch die Bildung eines Mittelwerts aus Sach- und Ertragswert für vertretbar gehalten. Dies dürfte aber nur in sehr seltenen Fällen gerechtfertigt sein, z.B. wenn die Möglichkeit besteht, ein als Renditeobjekt genutztes Mehrfamilienhaus in Eigentumswohnungen aufzuteilen und diese anschließend zu einem deutlich höheren Preis zu veräußern.