Rz. 90

Erbt die Erbengemeinschaft ein Mietshaus, regt sich bei einzelnen Erben oft der Wunsch eine dieser Wohnungen nun für sich zu nutzen. Da liegt die Frage nach den Möglichkeiten einer Eigenbedarfskündigung für die Erbengemeinschaft nicht fern.

Eine ordentliche Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses mit der Begründung bestehenden Eigenbedarfs ist nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB möglich, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörige oder Angehörige seines Haushalts benötigt.

Der rechtliche Berater wird demnach oft mit der Frage konfrontiert, ob nun ein Mitglied einer Erbengemeinschaft auf dem Weg des Eigenbedarfs in eine Wohnung eines ererbten Mietshauses einziehen kann. Um diese Frage zu beantworten ist zu berücksichtigen, dass die Erbengemeinschaft eine Gesamthandgemeinschaft darstellt, ohne eigene Rechtspersönlichkeit nach § 2032 BGB.

 

Rz. 91

Juristische Personen, wie die GmbH oder die AG, oder auch Vereine besitzen kein Kündigungsrecht nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, denn die Räumlichkeiten können von einer juristischen Person nicht als "Wohnung" genutzt werden.[126] Dasselbe gilt für die Personengesellschaften der OHG und KG. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt eine Kündigung zugunsten eines Gesellschafters nicht in Frage, weil die Gründung einer KG oder OHG regelmäßig eine umfangreiche organisatorische und rechtsgeschäftliche Tätigkeit bis hin zur Eintragung in das Handelsregister voraussetzt. Die Vermietung einer Wohnung beruhe regelmäßig "auf einer bewussten Entscheidung aufgrund wirtschaftlicher, steuerrechtlicher und/oder haftungsrechtlicher Überlegungen".[127] Die GbR (bzw. einzelne Gesellschafter) sollte nach der Rechtsprechung des BGH hingegen die Möglichkeit besitzen, Eigenbedarf geltend machen zu können, wenn die Gesellschafter schon bei Abschluss des Mietvertrags bekannt waren. Diese Rechtsprechung wurde vom BGH weiterentwickelt. Eine Kündigung wegen des Bedarfs der BGB-Gesellschaft ist – wie bei der OHG und KG – ausgeschlossen. Möglich ist jedoch eine Kündigung wegen Eigenbedarfs in analoger Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Der BGH verweist zur Begründung auf seine Entscheidung vom 29.1.2001. Bis zu dieser Entscheidung wurde die GbR als normale Vermietermehrheit (ohne eigene Rechtspersönlichkeit) behandelt, bei der jedes Mitglied der BGB-Gesellschaft zur Kündigung berechtigt gewesen ist. Mit der neuen Entscheidung im Jahre 2001 wurde die eigene Rechtspersönlichkeit der am Rechtsverkehr teilnehmenden (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts nunmehr anerkannt. Damit nimmt die Gesellschaft als Vermieter am Rechtsverkehr teil und nicht mehr die einzelnen Gesellschafter. Dadurch ist eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Lücke entstanden – eine unmittelbare Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB durch die einzelnen Gesellschafter war nicht mehr möglich – sodass eine entsprechende Anwendung geboten ist. Demnach kann eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Eigenbedarfskündigung aussprechen, sofern ein Gesellschafter oder dessen Angehörige einen zur Eigenbedarfskündigung berechtigenden Nutzungswillen haben.[128] Bei einer Mehrheit von Vermietern reicht es jedoch aus, wenn der Eigenbedarf nur für einen Vermieter besteht.[129]

Für die Erbengemeinschaft bedeutet dies im Ergebnis, dass bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB für ein Mitglied oder mehrere Mitglieder der Erbengemeinschaft eine Eigenbedarfskündigung erfolgreich durchgeführt werden kann.[130]

Die notwendigen Formalia und allgemeinen Grundsätze sind zu beachten: Hierzu gehört insbesondere die Notwendigkeit, dass die Kündigung von sämtlichen Mitgliedern der Erbengemeinschaft unterzeichnet werden muss, die Wohnung exakt zu bezeichnen ist und weiter, dass die Kündigung in Bezug auf den Eigenbedarf zu begründen ist.

[126] Bub/Treier/Grapentin, IV Rn 121; Schmidt-Futterer/Blank, § 573 BGB Rn 47; Kinne/Schach/Bieber, § 573 Rn 20; BGH, Urt. v. 27.6.2007 – VIII ZR 271/06, NZM 2007, 679.
[128] BGH, Urt. v. 27.6.2007 – VIII ZR 271/06, NZM 2007, 679; ausführlich Schmidt-Futterer/Blank, § 573 Rn 49; BGH, Urt. v. 14.12.2016 – VIII ZR 232/15, NJW 2017, 547; BGH, Urt. vom 15.3.2017 – VIII ZR 92/16, NJW-RR 2017, 583.
[129] Kinne/Schach/Bieber/Schach, § 573 Rn 20; OLG Karlsruhe v. 22.5.1990 – 9 ReMiet 1/90, NJW 1990, 3278; Emmerich/Sonnenschein/Haug, § 573 Rn 37; Palandt/Weidenkaff, § 573 Rn 26; Schmidt-Futterer/Blank, § 573 Rn 45.
[130] Palandt/Weidenkaff, § 573 Rn 26; BGH, Urt. v. 23.11.2011 – VIII ZR 74/11, NJW-RR 2012, 237; BGH, Urt. vom 15.3.2017 – VIII ZR 92/16, NJW-RR 2017, 583.

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