A. Allgemeines
I. Gründe für die Beteiligung minderjähriger Gesellschafter
Rz. 1
Minderjährige werden an Gesellschaften häufig aus steuerlichen Gründen beteiligt. Ertragsteuerlich können der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG (derzeit 11.604,00 EUR) und der Progressionsvorteil genutzt werden. Schenkungsteuerlich bieten "Gesellschaftslösungen" eine elegante Möglichkeit, die Freibeträge nach dem ErbStG – durch entsprechend wiederholte Anteilsübertragungen – im 10-Jahres-Rhythmus des § 14 Abs. 1 ErbStG auszuschöpfen und ggf. die Begünstigungen für betriebliches Vermögen in Anspruch zu nehmen.
Rz. 2
Als Gestaltungsmittel der Vermögensnachfolge erfreuen sich Personengesellschaften zunehmender Beliebtheit, sog. Familien-Pools. Neben der GbR ist v.a. die vermögensverwaltende KG in den Blick der Vertragsgestalter gerückt. Nach dem Ende der "GbR mbH" ist die KG außerdem unter Haftungsgesichtspunkten unproblematischer als die GbR, wenn Minderjährige beteiligt werden sollen.
Zu einer Beteiligung Minderjähriger an Gesellschaften kommt es aber auch "ungeplant", wenn minderjährige Erben an die Stelle des verstorbenen Gesellschafters treten.
II. Probleme der Beteiligung minderjähriger Gesellschafter
Rz. 3
Die Beteiligung Minderjähriger an Gesellschaften wirft in der Praxis einige Probleme auf. Regelmäßig stellen sich Fragen der gesetzlichen Vertretung und der etwa erforderlichen familiengerichtlichen Genehmigung. Die Nichtbeachtung der entsprechenden Vorgaben kann erhebliche Nachteile verursachen, insb. wenn sie zur Versagung der steuerlichen Anerkennung führt. Verschärft wird diese Problematik, wenn der "Fehler" erst nach Jahren entdeckt wird, zumal die zivilrechtliche Rückwirkung privatrechtlicher Genehmigungen (§ 184 Abs. 1 BGB) steuerlich nicht anerkannt wird. Kaum praktisch geworden ist bislang die Haftungsbeschränkung des § 1629a BGB für volljährig gewordene Gesellschafter.
Zum 1.1.2023 ist das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts in Kraft getreten, durch das u.a. die gerichtlichen Genehmigungserfordernisse für Rechtsgeschäfte von Minderjährigen und Betreuten neugefasst wurden. § 1852 BGB regelt nunmehr die gerichtliche Genehmigung handels- und gesellschaftsrechtlicher Rechtsgeschäfte und weicht dabei teilweise erheblich von der Vorgängernorm (§ 1822 Nr. 3 BGB a.F.) ab. Dadurch wurden einige Streitfragen geklärt, aber auch neue aufgeworfen.
B. Begründung der Gesellschafterstellung
I. Allgemeines
Rz. 4
Bei der Begründung der Gesellschafterstellung ist zu unterscheiden: Der Minderjährige kann sich an der Gründung der Gesellschaft beteiligen (dazu unter Rdn 5 ff.) oder aber einer bereits bestehenden Gesellschaft "beitreten" (dazu unter Rdn 43 ff.). Dabei ist jeweils zwischen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften zu differenzieren.
II. Gesellschaftsgründung unter Beteiligung Minderjähriger
1. Personengesellschaften
a) Gesetzliche Vertretung
aa) Grundsatz: Vertretung durch die Eltern oder durch den Vormund
Rz. 5
Bei der Gründung einer Personengesellschaft muss für den Minderjährigen sein gesetzlicher Vertreter handeln. Gesetzliche Vertreter sind in erster Linie die Eltern. Sie vertreten ihr minderjähriges Kind bei gemeinsamer Sorge gemeinschaftlich (§ 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB). Hat ein Elternteil das alleinige Sorgerecht, vertritt er das Kind allein (§ 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB). Hat das minderjährige Kind einen Vormund, wird es durch diesen vertreten (§§ 1773, 1789 Abs. 2 Satz 1 BGB; bis 31.12.2022: §§ 1773, 1793 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.).
bb) Vertretungsausschluss bei In-sich-Geschäft oder Mehrfachvertretung
Rz. 6
Gem. § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB können die Eltern ein Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1824 BGB (bis 31.12.2022: § 1795 BGB a.F.) ein Betreuer (bis 31.12.2022: ein Vormund) von der Vertretung des Betreuten ausgeschlossen ist. Greift dieser Vertretungsausschluss, ist gem. § 1809 BGB (bis 31.12.2022: § 1909 BGB a.F.) ein Ergänzungspfleger zu bestellen. Die Eltern dürfen insb. gem. §§ 1824 Abs. 2, 181 BGB grds. keine Rechtsgeschäfte im Namen des Kindes mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten vornehmen. Hierbei greift der Ausschluss beider Eltern von der Vertretungsmacht auch dann durch, wenn nur ein Elternteil Vertragspartner des Kindes werden soll.
Ein solcher Vertretungsausschluss kommt in zwei Fällen in Betracht:
▪ |
Der gesetzliche Vertreter (bei mehreren auch nur einer von ihnen, insb. ein Elternteil) beteiligt sich selbst an der Gründung der Gesellschaft. Dann handelt er bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages sowohl im Namen des Kindes als auch im eigenen Namen (In-sich-Geschäft, § 181, 1. Alt. BGB). |
▪ |
Der gesetzliche Vertreter vertritt mehrere minderjährige Kinder bei der Gesellschaftsgründung. Der gesetzliche Vertreter ist in einer solchen Konstellation von der Vertretung aller minderjähriger Kinder ausgeschlossen (§§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB). |
cc) Kein Vertretungsausschluss bei lediglich rechtlich vorteilhaften Geschäften
Rz. 7
Die §§ 1824, 181 BGB finden im Wege einer teleologischen Reduktion ...