Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 208
Sind zwei Teile einer Klausel inhaltlich und sprachlich trennbar, weil der unwirksame Teil ohne weiteres gestrichen werden kann, ohne dass der Sinn des anderen Teils darunter leidet, soll nach dem sog. blue-pencil-Test die Klausel in ihrem wirksamen Teil aufrechterhalten bleiben. Das BAG bemühte dieses Konstrukt erstmals zur teilweisen Aufrechterhaltung einer Vertragsstrafenklausel, die zumindest teilweise nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam war. Der unzulässige Teil der Klausel könne ohne weiteres aus dem einschlägigen Paragraphen des Arbeitsvertrags herausgestrichen werden, wobei die restliche Regelung verständlich und wirksam bliebe. In solcher Weite überzeugt diese Rechtsprechung nicht. Denn sie birgt die Gefahr immer ausgefeilterer Formulierungen, um möglichst viele Einzelfälle ausdrücklich zu benennen, damit die Klausel dann soweit wie möglich aufrechterhalten werden kann. Etwas anderes gilt jedoch, wenn inhaltlich verschiedene Abreden in einer Klausel nur äußerlich zusammengefasst sind, d.h. bei nur formal verbundenen AGB-Bestimmungen. Letzteres hat das BAG zutreffend bei einer Klausel verneint, wonach der Arbeitnehmer zur Rückzahlung von Studiengebühren verpflichtet war, "wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet wird, insbesondere wenn der Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis selbst kündigt oder wenn das Arbeitsverhältnis vom Unternehmen aus einem Grund gekündigt wird, den der Mitarbeiter zu vertreten hat." Der zu weit greifende Teil – "wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet wird, insbesondere" – lässt sich zwar sprachlich von den beiden hinreichend bestimmten Beispielsfällen trennen. Inhaltlich sind beide Satzteile aber verbunden, da jeweils die Rückzahlungsverpflichtung in Rede steht. Dies ist bei einer zweistufigen Ausschlussfrist anders, wenn die erste und zweite Stufe in verschiedenen Sätzen geregelt sind und allein letztere zu lang bemessen ist. Die Unwirksamkeit der zweiten Stufe berührt dann nicht die Wirksamkeit der ersten Stufe. Umgekehrt hat die Unwirksamkeit der ersten Stufe dagegen regelmäßig die Unwirksamkeit der zweiten Stufen zur Folge. Unter Berufung auf den blue-pencil-Test hat das BAG darüber hinaus das Wort "ungekündigt" aus einer Stichtagsklausel gestrichen, mit der Folge, dass die Auszahlung eines Bonus nur noch das Bestehen des Arbeitsverhältnisses am Stichtag voraussetzte. Dagegen fehlt es an einem abgrenzbaren Teil einer Vertragsklausel, wenn ein Klauselteil aufgrund seiner Verbindung mit einem anderen Klauselteil intransparent und damit unwirksam ist. Das hat das BAG für die Kombination eines Freiwilligkeitsvorbehalts mit einem Widerrufsvorbehalt ("freiwillig und jederzeit widerruflich") entschieden. Eine teilweise Aufrechterhaltung würde in einem solchen Fall die Grenze zum Verbot der geltungserhaltenden Reduktion überschreiten.