Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 740
Immer größerer Beliebtheit erfreut sich in der Praxis die Gewährung von Ermessensbonuszahlungen, die Arbeitgebern als Instrument zur Flexibilisierung der Vergütung zur Verfügung steht. Ermessensboni sind dahingehend ausgestaltet, dass dem Arbeitnehmer aufgrund arbeits- oder kollektivvertraglicher Vereinbarung zwar grds. ein Bonusanspruch eingeräumt wird, die Höhe des – i.d.R. jährlich festzusetzenden – Bonus jedoch im Ermessen des Arbeitgebers i.S.d. § 315 BGB liegt. Auch wenn ein Ermessensbonus im Gegensatz zu Bonuszahlungen, deren Gewährung und Höhe vom Erreichen in Zielvereinbarungen oder -vorgaben definierter Ziele abhängig sind, jedenfalls in Formularverträgen nicht wirksam mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt versehen werden kann, weil ein solcher Vorbehalt unangemessen benachteiligend i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB wäre, bietet er aus Arbeitgebersicht im Vergleich zu zielerreichungsabhängigen Boni gleich mehrere Vorteile, die zu einer größeren Flexibilität führen. Zum einen können Arbeitgeber die Auszahlungskriterien und deren Gewichtung im Rahmen des ihnen eingeräumten Beurteilungsspielraums grds. frei bestimmen und dadurch gezielt konkrete Leistungsanreize setzen. Zum anderen sind sie nicht dem Risiko unklarer oder unterlassener Zielvereinbarungen bzw. -vorgaben ausgesetzt.
Rz. 741
Seine Rechtsgrundlage findet der Ermessensbonus klassischerweise in einer Regelung im Arbeitsvertrag, wobei zwecks Vermeidung der Begehung einer Ordnungswidrigkeit die gesetzliche Nachweispflicht (§ 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 NachwG) zu beachten ist. Bei kollektiver Bonusgewährung werden arbeitsvertragliche Bonusvereinbarungen oftmals durch Regelungen in einer Betriebsvereinbarung ergänzt bzw. konkretisiert. Hinsichtlich der Vereinbarung von Ermessensboni in Formularverträgen hat die inzwischen gefestigte Rechtsprechung grds. keine AGB-rechtlichen Bedenken; insbesondere führe die Vereinbarung eines in das Ermessen des Arbeitgebers gestellten Bonus weder zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB noch zu einer Abweichung vom Gesetz i.S.d. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB (vielmehr entspreche das vereinbarte einseitige Leistungsbestimmungsrecht der Gesetzeslage in § 315 Abs. 1 BGB) noch zu einem Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB. Bei der Klauselgestaltung sollte jedoch zum einen klar formuliert werden, dass die – i.d.R jährliche – Bonusfestsetzung durch den Arbeitgeber nach billigem Ermessen zu erfolgen hat, um unzweifelhaft zu regeln, dass dem Arbeitgeber kein "freies" Ermessen zusteht. Zum anderen ist es zwecks Wahrung des Transparenzgebots (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) dringend zu empfehlen, in der arbeitsvertraglichen Bonusabrede die abstrakten Kriterien zu formulieren, die für die im Ermessen des Arbeitgebers liegende Bonusfestsetzung maßgeblich sein sollen. Um die Flexibilität bei der Bonusdotierung nicht unnötig einzuschränken, sollte dieser Kriterienkatalog möglichst allgemein und nicht abschließend gehalten werden. Zudem ist es ratsam, möglichst verschiedenartige Kriterien (z.B. wirtschaftliche Lage des Unternehmens, individuelle Leistung des Arbeitnehmers, Performance der Abteilung) zu benennen, da dies dazu führt, dass dem Arbeitgeber bei seiner Ermessensausübung und Leistungsbestimmung ein größerer Spielraum im Hinblick auf die Gewichtung dieser Kriterien zusteht.