Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1748
Hat sich der Arbeitgeber zur Gewährung einer variablen Vergütung auf Basis einer noch abzuschließenden Zielvereinbarung verpflichtet, steht dem Arbeitnehmer in der Regel ein Anspruch auf Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1, 3 BGB i.V.m. §§ 283 S. 1, 252 BGB zu, wenn es nicht zum Abschluss einer entsprechenden Zielvereinbarung kommt. Nach Ablauf der Zeit, für die Ziele zu vereinbaren gewesen wären, ist die Zielfestlegung nämlich nicht mehr möglich, da eine nachträgliche Vereinbarung den Sinn und Zweck einer Zielvereinbarung in Form der Leistungs- und Motivationssteigerung nicht mehr erfüllen kann. Mit dieser Rechtsprechung lehnt das BAG jene Ansichten ab, die in diesem Fall eine Festsetzung der Ziele analog § 315 Abs. 3 S. 2 BGB durch Urteil bzw. im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung befürworten oder die den Rechtsgedanken des § 162 BGB heranziehen wollen. Der Nichtabschluss einer Zielvereinbarung führt nicht automatisch zum Schadensersatz. Vielmehr muss der Arbeitgeber schuldhaft eine Vertragspflicht verletzt haben. In Betracht kommt insbesondere die Pflicht des Arbeitgebers, Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung zu initiieren bzw., falls die Initiative hierzu vertraglich nicht allein dem Arbeitgeber obliegt, auf Aufforderung des Arbeitnehmers in entsprechende Verhandlungen einzutreten. Seiner Verhandlungspflicht genügt ein Arbeitgeber nicht allein mit der Aufnahme von Verhandlungen; die Rechtsprechung verlangt vielmehr, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch tatsächlich realistische Ziele anbietet. Ein Angebot zur Fortsetzung der bisherigen Zielvereinbarung soll nur genügen, wenn sich die für den Abschluss dieser Zielvereinbarung maßgebenden Umstände nicht wesentlich geändert haben. Regelt der Vertrag die Initiativpflicht nicht, so dürfte diese im Zweifel beim Arbeitgeber liegen. Haben beide Parteien das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung zu vertreten, kommt ein gem. § 254 BGB geminderter Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers in Betracht. Das BAG nimmt bei der Schadensermittlung durch das Gericht gem. § 287 Abs. 1 ZPO an, dass der Arbeitnehmer die vereinbarten Ziele erreicht hätte – es sei denn, besondere Umstände schließen diese Annahme aus. Dies müsste der Arbeitgeber dartun und gegebenenfalls nachweisen.
Ebenso kommt ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers in Betracht, wenn die Parteien im Rahmen von AGB vereinbaren, dass im Fall einer unterbliebenen Zielvereinbarung der Arbeitgeber einseitig die Ziele nach billigem Ermessen festsetzt, die Klausel aber nicht die rechtlichen Voraussetzungen festlegt, unter denen die Ziele tatsächlich als nicht vereinbart gelten sollen. Ohne eine solche Bestimmung bewertet das LAG Hamburg die ersatzweise einseitige Zielvorgabe durch den Arbeitgeber nach § 307 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB als unangemessen und unwirksam, sodass der Arbeitnehmer ebenfalls Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 3 i.V.m. 283 BGB verlangen kann. Diese Auffassung überspannt die Anforderungen an die Vertragsgestaltung, lässt sich aber durch einen vertraglich definierten Zeitpunkt abbilden, ab dem mangels vereinbarter Ziele die Zielvereinbarung gescheitert ist und der Arbeitgeber die Ziele festlegen darf.