Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 386
Grundsätzlich kann ein Arbeitsvertrag unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist oder aus wichtigem Grund schon in dem Zeitraum zwischen Abschluss des Arbeitsvertrags und vereinbartem Vertragsbeginn bzw. vereinbarter Arbeitsaufnahme gekündigt werden, es sei denn, die Parteien haben dies vertraglich ausgeschlossen. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung kann nicht wirksam abbedungen werden. Der vertragliche Ausschluss der Kündigung vor Arbeitsbeginn setzt eine ausdrückliche Vereinbarung der Parteien voraus; jedenfalls muss ein dahingehender beiderseitiger Wille aus den Umständen eindeutig erkennbar sein. Allein daraus, dass der Arbeitnehmer eine gut dotierte Stelle aufgibt und sein Arbeitsverhältnis beendet, um ein neues Arbeitsverhältnis zu beginnen, kann noch nicht auf den Ausschluss des Kündigungsrechts durch den (neuen) Arbeitgeber geschlossen werden; anders bei der Abwerbung des Arbeitnehmers aus sicherer Stelle, der Zusage einer Dauerstellung, im Fall des ausdrücklichen Verzichts auf eine Probezeit und der sofortigen Einräumung von Kündigungsschutz. Auch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall des Nichtantritts der Arbeit kann als Ausschluss der ordentlichen Kündigung vor Arbeitsbeginn ausgelegt werden.
Rz. 387
Der Ausschluss gilt nur für das Recht zur ordentlichen Kündigung; das Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB ist unabdingbar, so dass bei Vorliegen der Voraussetzungen eine außerordentliche Kündigung vor Arbeitsbeginn stets möglich ist.
Rz. 388
Gleichfalls durch Auslegung der einzelvertraglichen Vereinbarung ist zu ermitteln, wann bei einer vor Arbeitsbeginn erklärten Kündigung der Lauf der Kündigungsfrist in Gang gesetzt wird, und ob die Parteien eine "auf die Dauer der vereinbarten Kündigungsfrist beschränkte Realisierung des Vertrages" bzw. eine gewisse Mindestbeschäftigung gewollt haben oder nicht. Vereinbaren die Parteien die kürzeste zulässige Kündigungsfrist, so spricht dies wohl gegen die mutmaßliche Vereinbarung einer Mindestbeschäftigungsdauer.
Rz. 389
Im Zweifel beginnt die Kündigungsfrist auch bei einer Kündigung vor Vertragsbeginn bereits mit Zugang des Kündigungsschreibens bei der anderen Partei zu laufen, und nicht erst mit dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses. Es bedarf somit deutlicher Hinweise, wenn die Kündigungsfrist erst von dem Tage der Arbeitsaufnahme an laufen soll.
Rz. 390
Beginnt die Kündigungsfrist bei einer vor Vertragsbeginn ausgesprochenen ordentlichen Kündigung ausnahmsweise erst in dem Zeitpunkt, zu dem die "Aktualisierung des Arbeitsverhältnisses" vereinbart war, ist für deren Berechnung auf den Zeitpunkt des vertraglich vereinbarten Beginns des Arbeitsverhältnisses und nicht darauf abzustellen, wann die Arbeit tatsächlich aufgenommen worden ist.