Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1055
Eine Verkürzung der gesetzlichen Kündigungsfristen für die arbeitgeberseitige Kündigung sowie eine Verlängerung der gesetzlichen Probezeitdauer von höchstens sechs Monaten durch einzelvertragliche Regelung sind grundsätzlich unwirksam. Zu beachten sind allerdings die Möglichkeiten zur Vereinbarung einer kürzeren Kündigungsfrist im Falle von Aushilfstätigkeiten, § 622 Abs. 5 Nr. 1 BGB, sowie in Kleinbetrieben, § 622 Abs. 5 Nr. 2 BGB.
Rz. 1056
Möglich ist demgegenüber die einzelvertragliche Verlängerung der Kündigungsfristen, vgl. § 622 Abs. 5 S. 3 BGB. Eine vor diesem Hintergrund zulässige Verlängerung der Kündigungsfristen stellen etwa sog. Gleichbehandlungsklauseln dar, wonach die verlängerten Fristen nach § 622 Abs. 2 BGB über die gesetzliche Regelung hinaus auch für arbeitnehmerseitige Kündigungen zur Anwendung gelangen. Eine einzelvertragliche Vereinbarung einer bestimmten Kündigungsfrist und eines bestimmten Kündigungstermins ist in der Regel als Einheit zu betrachten. Für den Günstigkeitsvergleich zwischen vertraglicher und gesetzlicher Regelung ist diese "Einheit" ins Verhältnis zur gesetzlichen Regelung zu setzen.
Bei Verlängerungen der Kündigungsfristen greift die gesetzliche Höchstbindungsdauer nach § 624 BGB. Ist das Anstellungsverhältnis demnach für die Lebenszeit eines Arbeitnehmers oder für längere Zeit als fünf Jahre eingegangen, kann es vom Arbeitnehmer nach dem Ablauf von fünf Jahren gekündigt werden, und zwar mit einer Frist von sechs Monaten, § 624 S. 2 BGB.
Rz. 1057
Weiter denkbar ist eine arbeitgeberseitige Kündigung unter Zugrundelegung einer längeren Kündigungsfrist als der einschlägigen – vereinbarten oder gesetzlichen – Kündigungsfrist. Von diesem Instrument wird vielfach vor Ablauf der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG Gebrauch gemacht, einerseits, um dem Arbeitnehmer eine zusätzliche Bewährung zu ermöglichen, andererseits, um die Entstehung von Kündigungsschutz zu vermeiden, sollte sich der Arbeitnehmer weiterhin nicht bewähren.
Nach Ansicht des BAG ist es nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Arbeitgeber, der die sechsmonatige Probezeit nicht als bestanden ansieht, anstatt das Arbeitsverhältnis innerhalb der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG mit der kurzen Probezeitkündigungsfrist zu beenden, dem Arbeitnehmer eine Bewährungschance gibt, indem er mit einer überschaubaren, längeren Kündigungsfrist kündigt und dem Arbeitnehmer für den Fall seiner Bewährung die Wiedereinstellung zusagt. Diese Grundsätze gelten nach Ansicht des BAG für einen entsprechenden Aufhebungsvertrag.
Rz. 1058
Zulässig sind des Weiteren Vereinbarungen, wonach Beschäftigungszeiten für die Berechnung der Kündigungsfrist angerechnet werden, die qua gesetzlicher Regelung bei der Kalkulation außer Betracht blieben. Auf diese Weise greifen mittelbar längere Kündigungsfristen nach § 622 BGB.
Rz. 1059
Im Grundsatz zulässig ist die Kündigung vor Dienstantritt, und zwar sowohl die außerordentliche und fristlose als auch die fristgemäße Kündigung. Üblich sind indes vertragliche Vereinbarungen, wonach die Kündigung vor Dienstantritt ausgeschlossen ist. Der vertragliche Ausschluss setzte dabei bisher voraus, dass die Parteien das Kündigungsrecht entweder ausdrücklich ausgeschlossen haben oder ein dahingehender beiderseitiger Wille eindeutig erkennbar ist. Im Hinblick auf § 305c Abs. 2 BGB ist in einem formularmäßigen Arbeitsvertrag auf einen eindeutigen Kündigungsausschluss zu achten.
Rz. 1060
Bei der Vereinbarung zulässiger Abweichungen ist stets das in § 622 Abs. 6 BGB enthaltene Erschwerungsverbot zu beachten. Für "die" arbeitnehmerseitige Kündigung dürfen demnach keine längeren Fristen vereinbart werden als für "die" arbeitgeberseitige Kündigung. Ein Verstoß gegen § 622 Abs. 6 BGB führt dazu, dass auch für die Kündigung durch den Arbeitnehmer die kürzere Kündigungsfrist und die zusätzlichen Kündigungstermine gelten. Eine zusätzliche "Heraufsetzung" der Frist für die Kündigung durch den Arbeitgeber durch analoge Anwendung von § 89 Abs. 2 HGB scheidet demgegenüber aus.
Nach Auffassung des LAG Hamm verstößt eine Vereinbarung, mittels derer lediglich die arbeitnehmerseitige Kündigung vor Dienstantritt ausgeschlossen werden soll, gegen § 622 Abs. 6 BGB mit der Folge der Unwirksamkeit der Regelung.
Über den Wortlaut des § 622 Abs. 6 BGB hinaus dürfen Kündigungen für einen Arbeitnehmer in jeder Hinsicht nicht schwerer sein als für den Arbeitgeber. Infolgedessen können auch faktische Kündigungserschwerungen für den Arbeitnehmer unzulässig sein.