Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 627
Für Zeiten, in denen keine volle Beanspruchung des Arbeitnehmers durch die Dienstaufgaben erfolgt, wurden verschiedene Arbeitszeitmodelle entwickelt. Es wird differenziert zwischen Rufbereitschaft, Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst, die sich jeweils im Grad der Beanspruchung des Arbeitnehmers unterscheiden.
a) Abgrenzung zu anderen Arbeitszeitmodellen
Rz. 628
Die stärkste Inanspruchnahme des Arbeitnehmers liegt bei der Arbeitsbereitschaft vor; nach der Definition des BAG ist dies die wache Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung. Typisch für die Arbeitsbereitschaft ist, dass der Arbeitnehmer selbstständig von sich aus die Arbeit wieder aufnehmen muss. Aufgrund der geforderten Aufmerksamkeit wird die Arbeitsbereitschaft arbeitszeitrechtlich (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG) und vergütungsrechtlich als Arbeitszeit gewertet.
Rz. 629
Bei der Rufbereitschaft ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, sich am Arbeitsplatz aufzuhalten und zu arbeiten; er kann seinen Aufenthaltsort grundsätzlich frei wählen. Der Arbeitnehmer ist allerdings verpflichtet, auf Aufforderung des Arbeitgebers binnen angemessener Zeit die Arbeit aufzunehmen. Arbeitszeitrechtlich ist die Rufbereitschaft als solche keine Arbeitszeit, Arbeitszeit liegt lediglich für die Zeiten vor, in denen der Arbeitnehmer tatsächlich auf Abruf des Arbeitgebers tätig wird. Rufbereitschaft ist grundsätzlich als besondere Leistung des Arbeitnehmers zu vergüten; die bloße Ruhenszeit kann jedoch geringer entlohnt werden als Vollarbeit, Zeiten tatsächlicher Arbeitsleistung sind grds. voll zu vergüten.
b) Bereitschaftsdienst
Rz. 630
Zwischen diesen beiden Formen liegt der Bereitschaftsdienst: Der Arbeitnehmer muss sich an einem vom Arbeitgeber vorgegebenen Standort, in der Regel im Betrieb, aufhalten, ist jedoch nicht verpflichtet zu arbeiten und muss erst auf Aufforderung des Arbeitgebers tätig werden. Seinem Charakter nach ist der Bereitschaftsdienst nichts anderes als eine Aufenthaltsbeschränkung, verbunden mit der Verpflichtung, bei Bedarf sofort tätig zu werden. Der Unterschied zur Rufbereitschaft liegt in der eingeschränkten Wahl des Aufenthaltsortes, der Unterschied zur Arbeitsbereitschaft liegt darin, dass ein Zustand der Aufmerksamkeit nicht erforderlich ist: Während des Bereitschaftsdienstes darf der Arbeitnehmer beispielsweise auch schlafen, während der Arbeitsbereitschaft nicht. Auch kurze Reaktionszeiten von 90 Sekunden schließen die Annahme von Bereitschaftsdienst nicht aus, wenn der Arbeitnehmer erst auf Aufforderung tätig werden muss.
c) Arbeitszeitrechtliche Bewertung
Rz. 631
Arbeitszeitrechtlich steht nunmehr aufgrund diverser Entscheidungen des EuGH – auf Grundlage der "Simap-Entscheidung" – sowie des übernehmenden Urteils des BAG im Gegensatz zur vorherigen Rechtslage fest, dass Bereitschaftsdienst – unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme des Arbeitnehmers – Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes ist. Die vor allem im Gesundheitsbereich problematischen Folgen dieser arbeitszeitrechtlichen Neubewertung des Bereitschaftsdienstes wurden durch Abweichungsmöglichkeiten des Arbeitszeitgesetzes (§ 7 ArbZG) und ergänzender Tarifverträge zumindest eingedämmt. Die Möglichkeiten, von den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes abzuweichen, bestehen jedoch lediglich für tarifliche Regelungen und auf Grundlage einer tariflichen Regelung in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung, rein arbeitsvertragliche Lösungen scheiden aus.
Nur die Rufbereitschaft als solche ist arbeitsschutzrechtlich keine Arbeitszeit. Arbeitszeit liegt für die Zeit, in der der Arbeitnehmer tatsächlich zur Arbeitsleistung heranbgezogen wird, vor.
d) Vergütung des Bereitschaftsdienstes
Rz. 632
Anders ist die Rechtslage im Hinblick auf die Vergütung des Bereitschaftsdienstes: Die arbeitszeitrechtliche Einordnung als ...