Rz. 919

Bei Gerichtsstandsklauseln ohne Auslandsbezug oder mit Auslandsbezug zu Staaten, die dem Anwendungsbereich der VO (EG) 44/2001 nicht unterfallen, sind die Grenzen der §§ 38 ff. ZPO maßgeblich.[2061] Die dortigen Regelungen lassen in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten freilich nur wenig Raum für wirksame Gerichtsstandsvereinbarungen. So gestattet § 38 ZPO Abs. 1 ZPO Abreden zwischen Kaufleuten oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlichen Sondervermögen. § 38 Abs. 2 ZPO ermöglicht Gerichtsstandsvereinbarungen, wenn mindestens eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat.[2062] Weiter möglich sind schriftliche Abreden, die nach Entstehen einer Streitigkeit (§ 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO)[2063] oder für den Fall getroffen werden, dass die im Klageweg in Anspruch zu nehmende Partei (beispielsweise als Wanderarbeitnehmer) nach Vertragsschluss ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort aus dem Geltungsbereich der ZPO verlegt oder ihr Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klagerhebung nicht bekannt ist (§ 38 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).[2064]

Die aufgezeigten Grenzen der Gerichtsstandsvereinbarungen im Arbeitsrecht können nicht durch eine vom gesetzlichen Gerichtsstand abweichende Vereinbarung des Erfüllungsorts als Gerichtsstand umgangen werden.[2065] § 29 Abs. 2 ZPO eröffnet diese Möglichkeit ebenfalls lediglich Kaufleuten, juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlichen Sondervermögen.[2066] Seit Einführung des Gerichtsstands des Arbeitsortes gemäß § 48 Abs. 1a ArbGG kommt Erfüllungsortvereinbarungen ohnehin keine prozessuale Bedeutung mehr zu, weil der Arbeitnehmer ungeachtet des Erfüllungsorts der ihm geschuldeten Gegenleistung an dem für seinen Arbeitsort zuständigen Gericht klagen kann (siehe hierzu Rdn 918).

 

Rz. 920

Folge der engen Grenzen der ZPO ist eine grundsätzliche, zwingende Unzulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen in Arbeitsverträgen.[2067] Gleichwohl getroffene Vereinbarungen sind grundsätzlich unwirksam nach § 134 BGB. Soweit eine Klausel ausnahmsweise in den Grenzen des § 38 Abs. 2 und 3 ZPO in Betracht kommt, ist bei Formularverträgen vor allem das Gebot transparenter Vertragsgestaltung zu beachten. Weiter ist auf die Einhaltung des Schriftformerfordernisses nach § 126 Abs. 2 BGB zu achten[2068] (zum Ausschluss einzelvertraglicher Gerichtsstandsvereinbarungen bei tarifvertraglicher Prorogation siehe Rdn 923).

[2061] Germelmann u.a./Germelmann/Künzl, § 48 ArbGG Rn 55 ff.; Moll/Hexel, § 22 Rn 96; Moll/Ulrich, § 77 Rn 229.
[2062] Vgl. dazu LAG Berlin 27.2.2009 – 13 Sa 2192/08, BeckRS 2009, 60538.
[2063] GK-ArbGG/Schütz, § 2 Rn 251; Germelmann u.a./Germelmann/Künzl, § 48 ArbGG Rn 56; Grunsky, § 2 ArbGG Rn 45.
[2064] Moll/Hexel, § 22 Rn 96ff.; Germelmann u.a./Germelmann/Künzl, § 48 ArbGG Rn 57; Preis/Lindemann, Arbeitsvertrag, II G 20 Rn 5; Grunsky, § 2 ArbGG Rn 46.
[2065] Rechtlich zulässig sind aber materiell-rechtliche Vereinbarungen über den Arbeitsort.
[2066] Moll/Hexel, § 22 Rn 95; Moll/Ulrich, § 77 Rn 229; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 29 Rn 10, § 38 Rn 7.
[2067] Grunsky/Benecke, § 48 ArbGG Rn 27 und Rn 32; Moll/Boewer, § 48 Rn 24; HWK/Kalb, § 2 ArbGG Rn 152; Preis/Lindemann, Arbeitsvertrag, II G 20 Rn 6.
[2068] Zwar hat der BGH die Frage, ob § 38 Abs. 2 und 3 ZPO gesetzliche Schriftform verlangen, ausdrücklich offen gelassen, vgl. BGH 14.11.1991 – IX ZR 250/90, NJW 1993, 1070; gleichwohl empfiehlt sich die Einhaltung des gesetzlichen Schriftformerfordernisses.

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