Dr. Katja Francke, Dr. Norma Studt
Rz. 910
Wird als Kompensation für ein umfassendes Tätigkeitsverbot keine oder eine zu niedrige Entschädigung zugesagt, kann dies zur Nichtigkeit des Verbots über § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG führen. Dies wurde vom BGH allerdings noch nicht entschieden. Enthält die Vereinbarung keine Entschädigungszusage, kann das Organmitglied unabhängig von der Frage der Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots jedenfalls keine Entschädigungsansprüche aus der Vereinbarung ableiten. Ist die Karenzentschädigung zu niedrig, folgt aus § 138 BGB die vollständige Unwirksamkeit der Abrede für beide Parteien, woran auch eine salvatorische Klausel nichts ändern kann. Das bei Arbeitnehmern aus § 75d HGB resultierende Wahlrecht bei gem. § 74 Abs. 2 HGB unverbindlichen Wettbewerbsverboten kommt bei Organmitgliedern nicht in Betracht.
Rz. 911
Die Höhe der zuzusagenden Karenzentschädigung ist abhängig von der Reichweite der nachvertraglichen Wettbewerbsabrede. Urteile des BGH liegen noch nicht vor. Oft wird eine Regelung für zulässig gehalten, welche die Mindesthöhe des § 74 Abs. 2 HGB unterschreitet und lediglich 50 % der Festbezüge – ohne Berücksichtigung sonstiger vertragsmäßiger Leistungen – als Maßstab für die Berechnung der Karenzentschädigung vorsieht. Diese Gestaltung ist allerdings umso riskanter, je höher der Anteil der dem Organmitglied gezahlten variablen Vergütungsbestandteile ist. Die Höhe der Karenzentschädigung ist entsprechend dem Umfang des Wettbewerbsverbots zu bemessen, wobei die Höhe nach § 74 Abs. 2 HGB die Obergrenze darstellt. Will das Unternehmen ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbaren, ist angesichts der aufgezeigten Folgen einer zu niedrigen Entschädigungszusage als rechtsicherer Weg die Verwendung der hier als Alternativformulierung vorgeschlagenen, am Wortlaut des § 74 Abs. 2 HGB orientierten Klausel zu empfehlen, die sämtliche Vergütungsbestandteile, also auch die variablen Bezüge, miteinbezieht.
Rz. 912
Abs. 2 regelt die Anrechnung anderweitigen Erwerbs, da auch die gesetzliche Anrechnungsvorschrift des § 74c HGB auf Organmitglieder nicht entsprechend anwendbar ist. Der vom BGH aufgestellte Grundsatz, dass die §§ 74 ff. HGB analog herangezogen werden, soweit sie der Wahrung des Unternehmensinteresse dienen, greift nicht, da § 74c HGB auf den zwingenden Charakter der Karenzentschädigungspflicht zugeschnitten ist und die Entlastung des Unternehmens von dieser Pflicht nur Reflex, nicht aber Zweck des § 74c HGB ist. Bei Organmitgliedern unterliegen deshalb die Anrechnung und deren Ausmaß der freien Vereinbarung der Parteien. Dies bedeutet insbesondere, dass auch eine über § 74c HGB hinausgehende Anrechnung vereinbart werden kann. Insbesondere kann auch die Anrechnung solcher Leistungen vereinbart werden, die unmittelbar durch die Gesellschaft an das ausscheidende Vorstandsmitglied geleistet werden. Auch die Verrechnung mit Betriebsrentenansprüchen kann vorgesehen werden. Gegen die Verwendung der hier vorgeschlagenen Klausel, welche die Anrechnung bereits beginnen lässt, sobald die Karenzentschädigung und der anderweitige Erwerb zusammen 100 % der zuletzt bezogenen Jahresbruttovergütung übersteigen, bestehen keine Wirksamkeitsbedenken. Da die Anrechnung selbst das ehemalige Organmitglied nicht in seinem beruflichen Fortkommen behindert, dürften auch weitergehende Regelungen, z.B. eine pauschale Anrechnung in Höhe von 50 % aller anderweitigen Bezüge weder mit Blick auf § 138 BGB noch auf § 307 Abs. 1 BGB zu beanstanden sein. Die Regelung zur Anrechnung wird durch eine Auskunftspflicht über die Höhe eines anderweitigen Erwerbs ergänzt.