Dr. Katja Francke, Dr. Norma Studt
Rz. 879
Die in Abs. 1 enthaltene Entschädigungszusage orientiert sich eng am Wortlaut des § 74 Abs. 2 HGB, um jedes Risiko der Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots zu vermeiden. Vom Vorliegen einer zu niedrigen Karenzentschädigung ist gem. § 305c Abs. 2 BGB etwa dann auszugehen, wenn diese "auf der Basis des Durchschnitts der letzten zwölf Monate des Beschäftigungsverhältnisses" berechnet werden soll, da dann sowohl eine § 74 Abs. 2 HGB entsprechende als auch nicht entsprechende Zusage gegeben sein kann. Das gilt auch, wenn im Übrigen auf die §§ 74–75c HGB verwiesen wird.
Abs. 2 verweist aus Klarstellungsgründen auf die Vorschrift zur Anrechnung anderweitigen Erwerbs in § 74c HGB. Nach dieser Vorschrift beginnt die Anrechnung grds. sobald die Entschädigung und der anderweitige Erwerb 110 % der beim ehemaligen Arbeitgeber zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen übersteigen. Bei selbstständiger Tätigkeit ist maßgeblich, ob der Gewinn innerhalb der Karenzzeit realisiert wurde. Davon ist auszugehen, wenn innerhalb der Karenzzeit der ehemalige Arbeitnehmer die von ihm geschuldete Erfüllungshandlung dergestalt erbracht hat, dass ihm die Gegenleistung "so gut wie sicher" ist. Wenn der Arbeitnehmer durch das Wettbewerbsverbot gezwungen wird, seinen Wohnsitz zu verlegen, liegt die Anrechnungsgrenze bei 125 %. Eine zu hohe Anrechnungsvereinbarung führt nicht dazu, dass das Wettbewerbsverbot insgesamt unverbindlich ist. In Anwendung von § 75d Abs. 1 HGB ist lediglich die betreffende Anrechnungsregelung unverbindlich. Es gelten das Wettbewerbsverbot und die gesetzliche Anrechnungsregelung des § 74c Abs. 1 HGB. Insoweit kommt es kraft Gesetzes zu einer geltungserhaltenden Reduktion auf das gesetzlich zulässige Maß. Für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe schließt § 74c Abs. 1 S. 3 HGB jeden Entschädigungsanspruch aus. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Pflicht zur Zahlung einer Karenzentschädigung in anderen Fällen subjektiver Unmöglichkeit der Ausübung einer Konkurrenztätigkeit bestehen bleibt.
Die Pflicht zur Auskunftserteilung über die Höhe des Erwerbs ergibt sich aus § 74c Abs. 2 HGB. Die darüber hinausgehende Pflicht, diese Auskunft auf Verlangen auch durch Nachweise zu belegen, ist anerkannt. Wenn der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach § 74c Abs. 2 HGB nicht ausreichend nachkommt, kann der Arbeitgeber die Zahlung der Karenzentschädigung verweigern. Der Arbeitnehmer ist insoweit vorleistungspflichtig. Dabei kann nur im konkreten Einzelfall nach Treu und Glauben beurteilt werden, wie detailliert die Auskunft zumutbarer Weise sein muss, um das Zurückbehaltungsrecht auszuschließen.